Still und unauffällig fliesst er vor sich hin. Doch der Sonnenwind ist nicht zu unterschätzen. Dieser Strom aus Wasserstoffionen und anderen geladenen Teilchen wird von der Sonne nonstop in alle Richtung abgegeben.
Je nachdem, wie schnell und dicht beieinander die Sonnenteilchen unterwegs sind, können sie auf der Erde das Magnetfeld durchdringen und mit den Gasen unserer Atmosphäre reagieren. Dann entstehen am Nordhimmel die atemberaubend schönen Polarlichter. Der Sonnenwind sorgt aber auch für Negativschlagzeilen – wenn er Satelliten beschädigt oder Navigationssysteme stört.
Heisse neue Daten der ESA-Sonde Solar Orbiter
Gerade um solche Schäden zu vermeiden, wäre es wichtig, den immer noch geheimnisvollen Sonnenwind besser zu verstehen. Wie entsteht er überhaupt? Dieser Frage ist ein internationales Forschungsteam nun einen bedeutenden Schritt näher gekommen.
Es handelt sich um winzige Energie-Ausbrüche, eine Art Mini-Explosionen im Strahlenkranz der Sonne, der Korona.
Wie im Magazin Science zu lesen, hat das Team neuste Messdaten der ESA-Raumsonde Solar Orbiter ausgewertet und dabei den wohl wichtigsten Antrieb des Sonnenwinds aufgespürt. «Es handelt sich um winzige Energie-Ausbrüche, eine Art Mini-Explosionen im Strahlenkranz der Sonne, der Korona», sagt Louise Harra, die Direktorin des Physikalisch-Meteorologischen Observatoriums Davos und Physikprofessorin der ETH Zürich.
Mini-Explosionen geben dem Sonnenwind Schub
Wie man schon länger weiss, schiesst der Sonnenwind mit Geschwindigkeiten von bis zu 800 Kilometer pro Sekunde aus der Sonnenkorona, und zwar dort, wo das wilde Magnetfeld der Sonne Löcher hat. Dies sei die Voraussetzung dafür, dass der Sonnenwind überhaupt ins All entweichen kann, so Harra.
Die jetzt neu entdeckten Mini-Explosionen in jenen Regionen dauern jeweils höchstens hundert Sekunden. «Jedes Mal wird die Energie frei, die es braucht, um 6000 Schweizer Haushalte ein Jahr lang mit Strom zu versorgen», hat Science-Erstautor Lakshmi Pradeep Chitta vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung für SRF berechnet. Das klinge nach viel, doch «für Sonnenverhältnisse ist es extrem wenig».
Sonne wird nun wieder aktiver
Diese kleinen Energie-Ausbrüche reichen aber aus, um den Sonnenwind zumindest in ruhigeren Zeiten anzutreiben; sie sind auch fähig, das nötige Plasma bzw. Teilchengemisch in den Sonnenwind einzuspeisen, haben die Forschenden berechnet.
Sie vermuten aber noch weitere Sonnenwind-Motörchen und wollen ihre Studien daher fortsetzen. Gerade jetzt sei die Gelegenheit günstig: Die Sonne wird nämlich 2025 das Maximum ihres elfjährigen Aktivitäts-Zyklus erreichen. Nicht nur die grossen Sonnen-Ausbrüche, die ebenfalls Teilchen ins All schleudern können, werden nun zahlreicher, sondern auch der Sonnenwind wird heftiger.
Auf der Erde hat dies die bekannten Folgen: Mehr beschädigte Satelliten, Einschränkungen auf polnahen Flugrouten, gestörte Navigationssysteme, Stromnetz-Ausfälle sogar am Boden. Doch man kann sich auch auf Schönes freuen: auf mehr Polarlichter – mit etwas Glück sogar in Breitengraden wie der Schweiz.