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Die Fachrunde des PULS-Chats
Legende: Alain Di Gallo, Mario Grossenbacher, Salih Muminagic, Alain Tuor, Michaela Tuor srf

Resilienz «Kann innere Stärke auch ohne fremde Hilfe aufgebaut werden?»

Alain Di Gallo, Mario Grossenbacher, Salih Muminagic sowie Michaela und Alain Tuor haben Ihre Fragen im «Puls»-Chat beantwortet.

Fachpersonen im «Puls»-Chat

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Prof. Alain Di Gallo
Kinder- und Jugendpsychiater
Klinikdirektor UPK Kinder und Jugendliche, Basel

Mario Grossenbacher
Resilienzcoach
Mitgründer und Geschäftsführer Resilienz-Zentrum Schweiz

Dr. Salih Muminagic
Rehabilitationsmediziner/Psychosomatiker
CEO und Chefarzt Rehaklinik Hasliberg
Präsident der Vereinigung psychosomatischer Chefärzt:innen SAPPM

Michaela & Alain Tuor
Resilientes Ehepaar der «Puls»-Sendung

Chat-Protokoll

Das soziale Netzwerk ist sehr wichtig für den Aufbau einer Resilienz. Kann innere Stärke aber auch alleine ohne fremde Hilfe aufgebaut werden? Ab welchem Zeitpunkt ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen?

Dr. Salih Muminagic: Resilienz ist leichter aufzubauen mit einem sozialen Netzwerk, Sie können Ihre Resilienz aber auch als Individuum stärken, indem Sie Selbstreflexion und Achtsamkeit üben, ein Tagebuch führen und realistische Ziele setzen. Pflegen Sie gesunde Gewohnheiten wie ausreichend Schlaf, Bewegung und ausgewogene Ernährung. Entwickeln Sie kreative Problemlösungsstrategien, feiern Sie kleine Erfolge und akzeptieren Sie Veränderungen. Bleiben Sie offen für Neues, um Ihre innere Widerstandskraft Schritt für Schritt zu fördern.

Psychologische Hilfe ist bei einem schweren Schicksalsschlag dann sinnvoll, wenn tiefe Trauer oder Verzweiflung über Wochen anhält und alltägliche Aufgaben beeinträchtigt, wenn Emotionen wie Angst, Wut oder Schuld unkontrollierbar werden. Ferner wenn man sich zunehmend zurückziehen würde und den Kontakt zu Familie oder Freunden meiden würde. Auch andauernde Schlaflosigkeit, Albträume oder erhebliche Veränderungen im Essverhalten sind nicht leicht ohne Hilfe lösbar. Eine absolute Indikation zur professionellen Hilfe ist, wenn man sich Gedanken über Selbstverletzung oder Suizid machen würde, in diesem Fall sollte man sich unverzüglich beim Arzt melden.

Mein Sohn (11 Jahre, 6. Klasse Primarschule) lässt sich von gewissen Mitschülern immer wieder provozieren von und gerät dadurch in heftige Streitereien. Wir besprechen die Vorfälle jeweils und lassen ihn selber Vorschläge formulieren, wie er stattdessen hätte reagieren können. Seine Antworten sind gut, dennoch schafft er es dann doch nicht, im Moment entsprechend zu reagieren. Seitens Schule kommt leider wenig… Haben Sie einen Tipp? Herzlichen Dank und freundliche Grüsse

Alain Di Gallo: Liebe Mutter oder lieber Vater, es ist gut, dass Sie die Situationen mit Ihrem Sohn besprechen und gemeinsam nach Wegen zur Lösung suchen. Wichtig ist, dass er den Mut nicht verliert. Wenn er es auch mit Ihrer Unterstützung allein nicht schafft, sollten Sie weiter versuchen, eine Vertrauensperson (Lehrer:in, Schulsozialarbeiter:in) einzubeziehen. Es lohnt sich auch, mit Ihrem Sohn anzuschauen, ob er auch eigene Anteile wahrnimmt, die zu den Streitereien führen. Dann gelingt es ihm vielleicht, aktiv etwas zu tun und nicht nur reagieren zu müssen.

Guten Tag mich würde interessieren welche professionelle Hilfe die Familie Tuor für sich bzw. ihre Tochter in Anspruch genommen hat? Mit Psychologen habe ich mit unserer Geschichte leider schlechte Erfahrungen gemacht.

Michaela und Alain Tuor: Wir haben verschiedene Sachen unternommen. Am Anfang wurden wir von einer Familientrauerbegleiterin betreut. Später ging unsere Tochter in eine Mini-Trauergruppe. Dort gab es viele Kinder, die Geschwister oder einen Elternteil verloren haben. Da war es für unsere Tochter einfacher über den Verlust der Zwillingsschwester zu sprechen, weil da alle Kinder jemand ganz wichtiges verloren haben. Später wollte Giuliana eine Maltherapie besuchen, da haben wir zusammen Bilder gemalt oder auch etwas schönes aus Ton getöpfert. Ich ging in die Kinesiologie, aktuell sind mein Mann und ich in psychologischer Betreuung, welche uns auch sehr gut tut. Es gibt hier kein richtig oder falsch, wichtig ist es, dass es sich gut anfühlt was man tut.

Ich möchte einen speziellen Aspekt beleuchten. Resilienz ist nicht nur von psychischen und sozialen Faktoren abhängig, sondern genetische, epigenetische und immunologische Faktoren spielen eine Rolle. Ich kann darauf im Detail aus Platzgründen nicht eingehen. Natürlich ist das soziale Netzwerk wichtig, doch trotz digitaler Vernetzung sind heute zumindest in unseren Breitengraden mehr Menschen einsam, gemobbt, beschämt, unachtsam etc. Persönlich schätze ich die Situation so ein, dass die neuronalen Netzwerke des Gehirns unter dem Einfluss von Smartphones ab dem Frühkindesalter nachhaltig beschädigt werden durch eine veränderte Entwicklung des Gehirns. Die neuronale Plastizität wird verändert. Die Kinder, die ab etwa 2012 geboren sind, verlieren, wenn ihre Hirnentwicklung unter massiver Smartphone-Exposition geschieht, nachweislich an der Fähigkeit zur Empathie. Morde von 12-Jährigen, die an anderen Kindern verübt werden, sind nur eine fatale Spitze eines Eisbergs. Resilienz ist bei Generation Y (Millenials) und Z unterschiedlich ausgeprägt. Bereits bei den letzten Jahrgängen der Generation X konnten wir beobachten, wie sich Resilienz verändert hatte. War es für Babyboomer wohl grossmehrheitlich undenkbar, über Mittag sich einem Mittagsschlaf hinzugeben, so sahen wir dies bei jungen Leuten in zunehmendem Mass. Nach der Schule erstmal chillen statt zuerst die Hausaufgaben zu erledigen und dann draussen spielen zu gehen mit anderen Kindern, wie es für unsere Zeit noch an der Tagesordnung gestanden hat, zeigt, dass sich viele durch Reizüberflutung digital erschöpfter zeigen, als es zu erwarten wäre. Resilienz kann nur mit einer grundlegenden Änderung der Erziehung in der kreativen frühkindlichen Phase aufgebaut werden. Ich gehe davon aus, dass bis auf Weiteres psychische/psychosoziale Manifestationen wie Depressionen, Suizidalität, (Autismus, Asperger,) Suchtverhalten (Drogen, Sport), Mobbing zunehmen werden. Infolge eines an der schieren Grösse des Problems unterdotierten professionellen Auffangnetzes wird es schwierig werden, nachhaltige Hilfe anbieten zu können. Beste Grüsse

Dr. Salih Muminagic: Da gebe ich Ihnen grundsätzlich Recht. Zum Beispiel hat die Kantonsschule in Obwalden festgestellt, dass präventive Massnahmen wie Workshops und Empfehlungen allein nicht ausreichen, um den übermässigen digitalen Konsum der Schüler*innen einzudämmen. Die zunehmende Nutzung digitaler Medien, insbesondere durch Gamen und Social Media hat dazu geführt, dass Pausengespräche unter Schüler*innen fast verstummt sind, psychische Probleme wie Ängste und Depressionen zugenommen haben und die Bewegung in den Pausen nahezu verschwunden ist.

Um diesen negativen Entwicklungen entgegenzuwirken, hat die Schulleitung gestern beschlossen, zumindest in den unteren Klassen smarte Geräte zu verbieten. Stattdessen werden aber verschiedene Pausenangebote geschaffen, um eine gesunde und entspannte Atmosphäre zu fördern, das Gespräch unter den Schüler*innen zu beleben und mehr Bewegung zu ermöglichen. Im Unterricht gibt es bereits genügend Gelegenheiten, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, sodass smarte Geräte in der unterrichtsfreien Zeit nicht notwendig sind. Das wird nicht alle Probleme aus der Welt schaffen, aber es ist ein Anfang. Bin gespannt auf die Reaktionen der Schüler*innen (nach gewisser Zeit).

Unser Sohn (2,5 Jahre) hat eine sehr geringe Frustrationstoleranz. Wenn er zum Beispiel den Ball beim Spielen verfehlt, setzt er sich sofort auf den Boden und weint. Wenn er einen Turm aus Kissen baut und eins herunterfällt auch. Wir sagen dann jeweils, dass man Dinge üben muss, damit man sie beherrscht und ermutigen ihn, es nochmal zu probieren. Aber das will er selten. Was können wir tun, um seine Resilienz zu stärken?

Alain Di Gallo: Ihr Sohn scheint einen starken Willen und ein Bedürfnis zu haben, interessante Dinge selbst zu meistern. Mit 2,5 Jahren ist es noch sehr schwer, Enttäuschungen auszuhalten und nach Misserfolg weiter zu üben. Wahrscheinlich spielt auch die Trotzphase eine Rolle, wenn ihm etwas misslingt und Sie versuchen, ihn in seinem Temperament zu bremsen. Vielleicht gelingt es Ihrem Sohn, im gemeinsamen Spiel mit ihnen Erfahrungen mit Misserfolg zu machen. Besonders, wenn Ihnen auch mal ein Bauklotz runterfällt und er auf Ihr Verhalten achten kann.

Mich würde interessieren, ob man auch «zu resilient» sein kann. Ab wann wird Resilienz auch ungesund? Besten Dank!

Dr. Salih Muminagic: Guten Abend. Resilienz, also die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen, wird oft als positive Eigenschaft angesehen. Allerdings kann eine übermässige Resilienz, die bis zur Unempfindlichkeit oder Verdrängung von Emotionen führt, auch negative Auswirkungen haben. Zu hohe Resilienz kann dazu führen, dass Menschen ihre eigenen Emotionen unterdrücken, anstatt sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Das Ignorieren von Trauer, Wut oder Angst kann langfristig zu psychischen Problemen führen, da ungelöste emotionale Konflikte im Unterbewusstsein bleiben. Menschen, die extrem resilient sind, passen sich möglicherweise zu stark an schwierige Situationen an, ohne notwendige Grenzen zu setzen. Sie könnten lernen, alles zu ertragen, anstatt notwendige Veränderungen in ihrem Leben vorzunehmen, was zu chronischem Stress oder Burnout führen kann. Eine übertriebene Resilienz könnte ferner dazu führen, dass man weniger Verständnis für die Schwierigkeiten anderer zeigt. Diese emotionale Distanz kann zwischenmenschliche Beziehungen belasten und Isolation fördern. In manchen Fällen könnte übersteigerte Resilienz mit narzisstischen Tendenzen einhergehen. Wenn Menschen stolz darauf sind, wie gut sie Krisen meistern, könnten sie anfangen, sich für unverwundbar zu halten und die Bedürfnisse oder Gefühle anderer zu missachten. Dies kann zu einem übersteigerten Selbstwertgefühl und einer geringeren Bereitschaft führen, Hilfe anzunehmen oder Schwäche zu zeigen.

Insgesamt ist Resilienz eine wertvolle Fähigkeit, doch es ist wichtig, ein Gleichgewicht zu finden.

Was geschieht mit Erwachsenen? Haben die auch eine Chance/Möglichkeit ?! Herzlichen Dank Gute Gesundheit und freundliche Grüsse

Mario Grossenbacher: Grundsätzlich sind wir der Meinung und zeigt unsere Erfahrung, dass Resilienz lern- und trainierbar ist. Vor allem resiliente Denk- und Verhaltensweisen können ein Leben lang bewusst gefördert und gestärkt werden. Man spricht dabei von Neuroplastizität, Es braucht dafür regelmässiges Training und auch ein wenig Geduld.

Ich habe grössten Respekt vor der Familie Tuor! Toll, wie sie sich immer wieder zusammenraffen und nicht unterkriegen lassen. Da auch wir mit einer Reihe von Schwierigkeiten zu tun haben, die einfach nicht bessern und uns manchmal tiefschwarze Tage und dünne Nerven bescheren, die Frage. Woher nehmen Sie die Energie, um weiterzumachen? Welche Rolle spielen Familie, Verwandte und Freunde? Und was hat es gebraucht, um auch professionelle Hilfe anzunehmen? Ich wünsche den Tuors weiterhin viel Kraft!

Michaela und Alain Tuor: Es gibt auch bei uns Tage, an welchen wir einfach endlos traurig sind. Wir haben aber auch festgestellt, dass auch solche Tage benötigt um weiterzukommen in der Trauerarbeit. Wir haben die selbe Tochter verloren, gehen aber unterschiedlich mit der Trauer um. Dies ist für die Entwicklung jedes einzelnen sehr wichtig. Unser Umfeld trägt uns in schwierigen Situationen. Wir sind froh, wenn wir in solchen Momenten Menschen um uns haben, welche damit umgehen können und es auch aushalten können, wenn wir einfach traurig sind, weinen müssen oder uns die Energie fehlt um unsere Liebsten zu treffen. Als wir festgestellt haben, dass wir immer und immer wieder am selben Punkt angelangt sind und einfach nicht weitergekommen sind, da haben wir entschieden, auch professionelle Hilfe anzunehmen. Mit dem Wissen von heute, würden wir solche Hilfe früher in Anspruch nehmen.

Welche Rolle spielt Verdrängen bei einer gesunden Resilienz? Ich kann ja nicht alles analysieren und aktiv angehen. Manchmal ist es doch gerade so gut wenn nicht besser, etwasem aus dem Weg zu gehen?

Dr. Salih Muminagic: Verdrängung ist eine Strategie, die Menschen manchmal verwenden, um mit schwierigen Emotionen oder Erfahrungen umzugehen. Im Kontext der Resilienz ist das Verdrängen jedoch nicht langfristig sinnvoll oder gesund. Während es kurzfristig hilfreich sein kann, um in einer akuten Krise zu funktionieren, kann das dauerhafte Verdrängen von Gefühlen zu negativen psychischen und physischen Konsequenzen führen, wie zum Beispiel erhöhter Stress, Angstzustände oder psychosomatische Beschwerden. Resilienz bedeutet, aus schwierigen Situationen zu lernen und zu wachsen. Wenn man Gefühle und Erfahrungen verdrängt, verpasst man die Gelegenheit, sich mit diesen Herausforderungen auseinanderzusetzen und daraus zu lernen.

Auch eine STOISCHE Haltung kann in gewisser Weise zur Resilienz beitragen, wenn sie richtig verstanden und angewendet wird. Die Philosophie des Stoizismus lehrt, dass man sich auf das konzentrieren sollte, was man kontrollieren kann, und dass man negative Ereignisse akzeptieren sollte, ohne sich davon überwältigen zu lassen. Stoiker betonen weiter, dass man seine Reaktionen und Emotionen steuern sollte. Dies bedeutet nicht, Emotionen zu verdrängen, sondern sie zu verstehen und auf konstruktive Weise mit ihnen umzugehen. Ferner kann eine stoische Praxis zu innerer Ruhe und Gelassenheit führen, was in Krisenzeiten besonders wertvoll ist.

Welche Generation würden Sie als die resilienteste bezeichnen? Generation X, Y oder Z? Und ist die Generation alpha wirklich so fragil, wie gerne behauptet wird?

Alain Di Gallo: Ich finde es schwierig, verschiedene Generationen in Bezug auf die Resilienz miteinander zu vergleichen. Jede Zeit stellt ihre eigenen Herausforderungen und trägt unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen, wie wir mit Belastungen umgehen.

Ich möchte gerne mit meinen Sekundarschulklassen an ihrer Resilienz arbeiten. Haben Sie gute Praxistipps für den Schulunterricht? Herzlichen Dank.

Alain Di Gallo: Ein sehr gutes Programm ist «Start Now» (istartnow.ch). Es lässt sich ausgezeichnet in Schulen anwenden, und es gibt auch Schulungen für Lehrer:innen.

Wie überwinde ich ein Trauma ein für alle mal?

Dr. Salih Muminagic: Traumabewältigung ist ein sehr individueller Prozess, der oft professionelle Hilfe erfordert. Durch eine Kombination aus Therapie, körperlicher und emotionaler Verarbeitung, sozialer Unterstützung und Selbstfürsorge können Menschen lernen, mit ihrem Trauma zu leben und es letztlich zu überwinden. Es geht dabei nicht nur darum, das Trauma zu «vergessen», sondern darum, es in das eigene Leben zu integrieren und eine neue, positive Perspektive zu entwickeln. Geduld, Selbstfürsorge und eine Neuausrichtung des Lebenssinns sind dabei entscheidend, um das Trauma nicht zu vergessen, sondern es in ein gestärktes, gesundes Leben zu integrieren. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Erfolg auf Ihrem Weg, Ihr Trauma und die damit verbundenen psychischen Herausforderungen zu überwinden. Glauben Sie an sich, Sie schaffen das!

Ich lese immer wieder, dass Zukunftsorientierung der Resilienz zuträglich sei. Nach einer langen Periode mit (mittlerweile therapierten) Depressionen und Angstzuständen fällt es mir immer noch schwer, mich in die Zukunft zu projizieren. Haben Sie Ansätze, wie man diese Zukunftsorientierung stärken/üben kann oder halten Sie dies für nicht so zentral? Freundliche Grüsse

Mario Grossenbacher: Guten Abend – Es ist verständlich, dass es nicht immer einfach ist ein positives Zukunftsbild von sich zu kreieren. Dennoch sind wir auch der Meinung, dass die Zukunftsorientierung ein wesentlicher und auch zentraler Faktor der Resilienz darstellt. Die Entwicklung von Visionen oder Zielen ist manchmal schwierig und kann gleichzeitig ein lohnender Prozess sein. Das Resultat wirkt als Zugkraft und motiviert. Zukunftsorientierung kann auch Angst machen und braucht auch Energie. Grundsätzlich ist es für die Zukunftsorientierung hilfreich, sich zuerst im Hier und Jetzt positiv zu verankern, bevor man zu fest nach vorne schaut.

Wir kennen verschiedene Ansätze wie man den Faktor stärken und üben kann. Z.B. könnte man in verschiedenen Lebensbereichen schauen, was ist schon gut und darf so weitergehen und wo möchte ich in kleinen Schritten eine Veränderung vornehmen. Lieber kleine und realistische Ziele setzten als grosse Luftschlösser bauen, die zusätzlich Druck erzeugen.

Eine weitere Übung könnte auch die «Wunderfrage» von Steve de Shazer sein. Die Wunderfrage ist eine offene Frage, die sich auf eine hypothetische Zukunft bezieht. Sie lautet: „Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgen auf, und das Problem, das Sie haben, ist gelöst. Was hat sich verändert? “ Diese Frage zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit weg vom Problem und hin zur Lösung zu lenken und hilft neue Ideen zu generieren. Lassen Sie sich überraschen, was ihnen dazu einfällt.

Dann könnte man auch einfach mal innehalten und auf sein bisheriges Leben zurückschauen und aus der Vogelperspektive überlegen, wo komme ich her, wie habe ich es bis hierher geschafft und in welche Richtung könnte es nun weitergehen.

Je nach Situation, kann es sich auch lohnen sich professionelle Unterstützung zu suchen. Freundliche Grüsse

Es ist tragisch für die Familie Tuor. Aber es gibt Familien, die Schlimmeres erlebt haben Z.B. die Familie aus Vex, deren 3 Söhne am gleichen Tag verunglückt sind!! Ich habe auch erlebt, dass mir 2 Söhne und mein Mann innert 3 Jahren gestorben sind. Ich habe halt viele Freunde und Familie (noch 2 Söhne ) Gehabt. Ich habe weiter Campingferiem gemacht etc. Es sind jetzt fast 40 Jahre her. Die fehlen immer noch. Aber in der heutigen Zeit wird alles aufgebauscht. Mein Mann sagte immer: man muss mit dem, leben, was man hat. Ich bin froh, dass alle meine Familie, Freunde und Kollegen da waren! Ich musste jetzt mal meine Meinung sagen!!

Redaktion PULS: Danke für Ihre Meinung, und unser Mitgefühl für Ihre schweren Verluste! Natürlich lassen sich immer noch schlimmere Schicksale finden, aber darum geht es hier ja nicht. Familie Tuor hat den Mut gehabt, stellvertretend für andere Menschen und Familien vor der Kamera über ihre herausfordernde Situation zu sprechen und wie sie damit umgeht. Dies, um auf das Thema Resilienz aufmerksam zu machen und auch anderen Menschen Mut zu machen. Denn wie ja auch Ihr Beispiel eindrücklich zeigt, gibt es Möglichkeiten, trotz Schicksalsschlägen ein erfülltes Leben zu führen.

Unsere Tochter (7Jahre) setzt sich immer selber unter druckt, hat angst vor fehler oder, dass sie nicht mitspielen darf, wenn sie fragt. Wir erklären ihr immer wieder das fehler nicht schlecht sind und sie fehler mache darf / muss und niemand nachtragend sein wird… Was wird in solchen situationen empfohlen, hat dies mit der entwicklung zutun? Oder was können wir machen, dass sie wiederstandfähiger bzw. resilienzer wird und ihr gerecht? Besten Dank und schöner Abend

Alain Di Gallo: Solche Ängste sind bei 7-jährigen Kindern nicht ungewöhnlich. Gut ist, wenn Ihre Tochter Möglichkeiten erhält, in denen sie üben kann. Das kann z.B. ein vertrauter Rahmen mit Kindern sein, die sie kennt. Lassen Sie Ihre Tochter weiter ihre eigenen Erfahrungen machen und lassen Sie ihr Zeit. Fragen Sie die Lehrerin oder den Lehrer, wie sich Ihre Tochter in der Schule verhält und wie sich ihr Verhalten weiter entwickelt.

Ich arbeite in der Betreuung mit Menschen mit einer Beeinträchtigung. Eine Person die ich betreue hat eine schwierige Vergangenheit mit vielen Traumata in der Kindheit erlebt. Dies wirkt sich bis heute noch auf ihr aus. Sehr niedrige Frustrationstoleranz, die sich durch Wut, fremdagressives Verhalten äussert. Sieht sich oft als Verursacher oder als Böse Person. Wie kann ich die Person begleiten? Wir führen regelmässig Gespräche aber ich habe das Gefühl das reicht nicht. Vielen Dank.

Alain Di Gallo: Ihnen konkrete Ratschläge zu geben, fällt mir schwer, weil ich die von Ihnen beschriebene Person nicht kenne. Sehr bedeutsam ist meiner Ansicht nach aber Ihr Gefühl, in der Unterstützung dieses traumatisierten Menschen überfordert zu sein. Das liegt nicht an Ihnen, sondern wahrscheinlich an der Art, wie diese Person Beziehungen zu gestalten vermag. Falls Sie in einem Team arbeiten, tauschen Sie sich mit anderen Betreuungspersonen aus oder sonst sollten Sie schauen, wo Sie eine Hilfe erhalten können.

An Alain und Mikaela Ier machet das einfach Genial und Wunderbar! Mir bewundärä öich sehr, sone schwäri Zit, und z schlimschtä wo eim cha passiärä, und no viel viel anderi schweri und schwiregi Herusforderigä wo ier Meischteret! Ier sit extrem Wärtvoll für aller! Ja für üs und ganz ganz vieli anderi Lüt. Mir hei öich uuu fescht gärn und si so glückli ä Teil vo öiem Läbä dörfä z si! Vo öich wettä mir no ganz viel lehrä. Viel viel Kraft öich witerhin. Blibet so wi ier sit, ier sit eifach so Genial und Lieb und Wunderbar und Wärtvoll und Herrlich und Resilent und ned z vergässä ou Hübsch, und Härzig und und und! Mir hi öich gärn Fröie üs öich bald wider z gse! Liebi Grüess WSsga

Michaela und Alain Tuor: Ihr Lieben, vielen Dank für eure aufmunternden und wohlwollenden Zeilen. Genau solche Freunde wie ihr seid, helfen uns resilient zu bleiben. Danke für eure unermüdliche Unterstützung über all die Jahre hinweg. Schön seid ihr Teil unseres Lebens.

Unser Enkel hat Longcovid und hat seit zwei Jahren keine Kraft mehr etwas zu arbeiten und zu unternehmen. Er ist kognitiv beeinträchtigt, wenn er etwas macht, nacher umso länger muss er sich erholen. Er war bei vielen Ärzten, niemand weiss wie helfen. Er ist 22Jahre alt , hat seine Lehre abgeschlossen, aber nichts geht mehr.Wie könnte ich ihn da unterstützen? Haben sie Tipps? Danke sehr und freundliche Grüsse

Alain Di Gallo: Offenbar haben schon viele Fachleute sich um Ihren Enkel gekümmert und konnten ihm nicht helfen. Tipps kann ich Ihnen leider keine geben. Ich denke, es ist wichtig, die Situation anzunehmen, wie sie jetzt ist und auf dieser Basis zu versuchen, einen Schritt nach den anderen anzugehen, auch wenn diese zuerst sehr klein und zaghaft zu sein scheinen. Vielleicht gelingt es Ihnen, die Sorge «nichts geht mehr» in die Hoffnung «es ist mühsam wieder gehen zu lernen, aber ich versuche es» umzuformulieren und Ihrem Enkel Mut zu machen.

Guten Abend. Volker Busch spricht lieber über das «mentale Immunsystem» statt über Resilienz. Was halten Sie von diesem Konzept?

Dr. Salih Muminagic: Der Unterschied zwischen Volker Buschs Konzept und dem Begriff der Resilienz liegt hauptsächlich in der Perspektive und dem Fokus, aber es gibt auch wichtige Gemeinsamkeiten. Volker Busch beschreibt das «mentale Immunsystem» als die Fähigkeit unseres Geistes, sich gegen psychische Belastungen, Stress und negative Einflüsse zu schützen. Es bezieht sich auf die Mechanismen, die unser Gehirn aktiviert, um uns psychisch gesund zu halten, ähnlich wie das körperliche Immunsystem uns vor Krankheiten schützt. Dieses Konzept betont die Prävention und den Schutz vor psychischen Belastungen. Resilienz dagegen bezieht sich auf die Fähigkeit, nach Krisen, Schicksalsschlägen oder Stresssituationen wieder aufzustehen und sich anzupassen. Der Fokus liegt hier auf der Anpassung und Erholung nach belastenden Ereignissen. Insgesamt sind somit das «mentale Immunsystem» und Resilienz eng miteinander verbunden, aber sie betonen unterschiedliche Aspekte der psychischen Widerstandsfähigkeit: Schutz und Prävention versus Anpassung und Erholung.

WO (bei wem, welcher Institution, welchem Anbieter) empfehlen Sie professionelle Resilienz-Schulung? Es gibt ja verschiedene Anbieter von Kursen, Seminaren, Bücher, Coachings usw. Und ich kann nicht einschätzen, was tatsächlich seriös und sinnvoll ist!!! Was empfehlen Sie mir diesbezüglich? Besten Dank im Voraus für Ihren Tipp.

Mario Grossenbacher: Das Resilienz Zentrum Schweiz hat ein breites Angebot an Resilienz-Schulungen, Coaching und Training. Am einfachsten vereinbaren Sie einen unverbindlichen Online-Beratungstermin, um herauszufinden ob etwas Passendes für Sie dabei ist.

Grundsätzlich ist es empfehlenswert, wenn Sie sich für einen Anbieter mit erfahrenem und professionell geschultem Personal entscheiden. Zudem würde ich Ihnen zu modularen Angeboten raten. Wichtig finden wir auch konkrete und alltagstaugliche Programme, bei denen der Fokus weniger auf der Theorie und mehr auf der Praxis und dem Umsetzen liegen. Beste Grüsse

Unsere Tochter 7j. ist grundsätzlich sehr sensibel. Sie hat öfters Ängste, v.a nachts oder beim einschlafen. Sie kann nur einschlafen, wenn jemand bei ihr bleibt. Wie können wir ihre Resilienz stärken, für sie da sein und sie dennoch in der Entwicklung ihrer Selbständigkeit unterstützen?

Alain Di Gallo: Ich würde Ihre Tochter fragen, was ihr abends im Bett Angst macht. Ist es die Dunkelheit, sind es Fantasien oder ist es das allein Sein? Wenn Ihre Tochter ihre Angst benennen kann und Sie diese kennen, können Sie ihr im Umgang damit helfen. Wichtig ist dabei, dass Ihre Tochter spürt, dass Sie ihr das allein Einschlafen zutrauen und es aushalten, wenn sie sich der Angst stellen muss.

Ich leide seit mehreren Jahrzehnten an einer schweren Rheumakrankheit. Leider wurde die in letzter Zeit schlimmer. Ich konnte sie mit keiner Massnahme bessern. Seit 9 Monaten hat sich hier ein Nachbarschaftsstreit entwickelt aus dem Nichts. Das war jetzt immer wieder sehr belastend und hat die Krankheit zusätzlich getriggert. Die Person hat eine narzistische Persönlichkeit, und dies hinterlassen ja viele traumatisierte Menschen, wie man im Internet lesen kann. Ich habe auch mehrere Friedensbemühungen gemacht – erfolglos. Das alles ist wirklich too much. Ich getraue mich kaum noch zu lachen/ singen…sonst wird man wieder terrorisiert, und ich schlafe wieder fast die ganze Nacht nicht.

Dr. Salih Muminagic: Der Umgang mit einem narzisstischen Nachbarn kann herausfordernd sein. Sie müssen an sich und Ihre schwere Erkrankung denken. Um einen Streit mit einem Narzissten zu bewältigen, bleiben Sie vor allem ruhig und sachlich. Setzen Sie klare Grenzen und vermeiden Sie emotionale Reaktionen, jegliche direkte Konfrontationen oder Machtkämpfe. Narzissten suchen dadurch oft nach Kontrolle und Anerkennung. Versuchen Sie, Gespräche auf sachliche Themen zu lenken. Dokumentieren Sie alle Interaktionen für den Fall, dass rechtliche Schritte notwendig werden. Ziehen Sie bei Bedarf eine neutrale Drittpartei wie einen Mediator hinzu. Wenn der Konflikt sich nicht lösen lässt und wenn Sie in Ihrer Lebensqualität weiterhin beeinträchtigt werden, lassen sie sich rechtlich beraten resp. ziehen Sie die rechtlichen Schritte in Erwägung. Ich hoffe, es findet sich ein Weg für Sie!

Die Ausgaben im Bildungswesen und Gesundheitswesen sind in den letzten Jahren massiv gestiegen. Trotzdem steigen die Anmeldungen bei der IV stark an. Viele werden nicht mehr gesund. Trotz vielen Therapien, die wenig bringen. Immer mehr Kindern verlieren Ihre Freude am Lernen und Entdecken schon sehr früh. Die Pädagogen sollten eigentlich Experten betr. Innerer Stärke sein und bestrebt sein, die seelischen Grundbedürfnisse zu garantieren. Doch in der Regel ist das Gegenteil der Fall. Anstatt Potentialentfaltung erfolgt Anpassung und Anleitung zur Pflichterfüllung. Die Kinder und Jugendliche werden zu Objekten. Sie werden abgerichtet. Nicht besser sieht es in der Jugendpsychiatrie aus Hierarchisch organisiert, teuer und vielen Aerzten fehlt die Eignung und die richtige Haltung und die Liebe zum Menschen. Macht, Geld und Status sind die Antreiber und nicht die Berufung. Fazit: Sendung fehlte es an Tiefe. Zudem gibt es nachhaltigere und wirkungsvoller Konzepte als das in der Sendung vorgestellte.

Redaktion PULS: Danke für Ihr Feedback!

Sind die Sozialen Medien in Krisenzeiten immer nur des Teufels? Bieten sie nicht auch die Chance, das Umfeld auf persönliche Probleme aufmerksam zu machen und Support zu erhalten?

Alain Di Gallo: Die Sozialen Medien sind eine Realität in unserem Leben. Sie bringen Chancen und Gefahren und sind eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit. Die Sozialen Medien zu verteufeln, hilft aber sicher nicht. Vielmehr sollten wir unsere Beziehung zu ihnen reflektieren und ganz besonders die Jugendlichen zu einem kritischen Umgang mit ihnen befähigen.

In der Sendung wurden Karten von den 7 Resilienz-Faktoren gezeigt. Wo bekommt man die? :-)

Redaktion PULS: Die Karten wurden eigens für die Sendung erstellt und sind in dieser Form nicht erhältlich. Sie werden aber diese Woche in Form einer Bildergalerie Bestandteil eines Online-Artikels auf www.srf.ch/wissen zum Thema Resilienz sein und als PDF zum Download zur Verfügung gestellt.

Wir haben einen leicht übergewichtigen Jungen (8J), der nicht gerne lernt und sich nur mässig gerne sportlich bewegt (das Gegenteil von meinen Wertvorstellungen) Beim Essen versuche ich zu entscheiden, was auf den Tisch kommt, aber es kommt trotzdem Salami oder Wurst auf den Tisch. Mein Mann hat für seinen Sohn für immer und für alles einen Plan B, sei es beim Essen, beim Lernen und auch noch beim wandern, falls es zu anstrengend wird. Wie stärken wir den Jungen in dem, was er tun soll (Aufgaben und Mithilfe)? Wie soll er damit umgehen, wenn er immer alles darf, oder immer auf seine Bedürfnisse eingegangen wird (autofahren statt laufen, etc.)? Wie bringen wir unseren Jungen auf eine klare Linie? Ich wünschte mir so ein gutes Team zu sein, wie Familie Tuor! Danke für den guten Beitrag!

Dr. Salih Muminagic: Auf Grund Ihrer Schilderungen scheint es mir so, dass es in einigen Bereichen unterschiedliche Vorstellungen und Werte zwischen Ihnen und Ihrem Partner gibt, die Ihre Beziehung beeinflussen. Haben Sie vielleicht darüber nachgedacht, dass das Problem weniger bei Ihrem Sohn liegt, sondern eher darin, dass Sie als Paar in bestimmten Aspekten nicht immer harmonieren, was sich auf sein Verhalten auswirken könnte? Es könnte hilfreich sein, wenn Sie sich gemeinsam darauf konzentrieren würden, Ihre Werte besser aufeinander abzustimmen. Die Familie Tuor hatte möglicherweise ähnliche Erfahrungen, besonders in schwierigen Zeiten, aber sie wirken auf mich heute sehr gut abgestimmt und sind ein starkes Team. Das wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie auch.

Mein Mann und ich sind beide 73. Vor 7 Jahren ereilte mein Mann ein schwerer Hirnschlag, von dem er sich recht gut erholt hat, mit einem POS und Sprachstörungen. Habe eine recht gute Resilienz entwickelt. Was mir am meisten zu schaffen macht ist, dass alle Pläne einer unbeschwerten Rentnerzeit zunichte gemacht wurde und vor allem ich, massiv eingeschränkt wurde. Zukunftsorientierung und schwaches soziales Netzwerk, auch aus finanziellen Gründen, machen mir am meisten zu schaffen.

Alain Di Gallo: Durch den Hirnschlag Ihres Mannes haben sich die gemeinsamen Vorstellungen und Pläne für das Pensionsalter verändert. Vielleicht nimmt Ihr Mann diese Tatsache aufgrund seiner Krankheit anders wahr als sie und Sie müssen sich allein damit auseinandersetzen. Ihre Aussage, dass Sie über ein wenig tragendes soziales Netzwerk verfügen, beschäftigt mich deshalb sehr. Fehlt Ihnen die Zeit und die Energie? Oder kennen Sie nur wenige Menschen? Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich zutrauen und die Kraft haben, auf Menschen zuzugehen. Es gibt bestimmt Möglichkeiten in Ihrer Umgebung. Vielleicht wäre auch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit kranken Angehörigen ein Schritt für Sie.

Was kann man machen, wenn man sich immer gleich betroffen fühlt, z. B. Allgemeinen Anschuldigung im Büro. Im Nachhinein stellt sich eigentlich immer heraus, dass es mich gar nicht betroffen hätte.

Mario Grossenbacher: Was Sie hier beschreiben ist ein klassisches Reiz-, Reaktions-Muster. Sie haben es bereits selber erkannt und haben somit die besten Voraussetzungen, um einen konstruktiven Umgang damit zu finden. Die Frage ist, wie können Sie das Muster verändern. Dafür empfehlen wir gerne die 4 A Strategie. Dabei steht das erste «A» fürs Annehmen und Akzeptieren, dass Sie sich von einer allgemeinen Anschuldigung betroffen fühlen, und dies etwas bei Ihnen auslöst. Dadurch gehen Sie nicht automatisch in Ablehnung und sind somit offen für das zweite «A». Dieses steht für Abkühlung. D.h. versuchen Sie aus der Emotion zu gelangen. Hilfreich dabei können Atem- oder Achtsamkeitsübungen sein. Anschliessend geht es weiter zum dritten «A», welches für Analyse steht. Dabei stellen Sie sich die Fragen, betrifft es mich? Kann ich etwas dagegen tun? Lohnt es sich? Die Antworten auf diese Fragen führen zum vierten und letzten «A», welches für Aktion oder Ablenkung steht.

Zudem können auch körperliche Bewegungen hilfreich und unterstützend wirken. Bei der nächsten allgemeinen Anschuldigung machen Sie z.B. einen bewussten Schritt rückwärts, legen Sie ihre Hand aufs Herz und versuchen den Herzschlag zu spüren oder schaukeln Sie ein wenig mit Ihrem Bürostuhl hin und her. Diese Übungen haben alle beruhigende, stabilisierende und ausgleichende Wirkungen und schaffen innerliche Distanz zur Situation. Viel Vergnügen beim Üben und Ausprobieren.

I ha SRF Puls gluegt, wo ihr s Thema Resilienz kha händ. Ihr händ dört au drüber briichtet über das Ehepaar Michaela & Alain Tuor, wo sie über ihre schwäre Schicksalschlag briichtet händ, nähmlich über de Verluscht vo einem ihrem Chind. Will i wahnsinnig gärn Chinder ha, bi i do so sehr a mini mentali und physischi Belastigsgränze cho, dass bi mir Träne abegloffe sind, sprich dass i fascht brüellt ha. A was liegt das? Bi i zwenig Resilienz? Wie cha i mini Resilienz vebessere?

Dr. Salih Muminagic: Es ist vollkommen natürlich und sogar wichtig, bei einem so tiefgreifenden Verlust wie dem eines Kindes bei der Familie Tuor in der SRF-Reportage, Emotionen zuzulassen. Gefühle zu zeigen ist ein Ausdruck von Menschlichkeit und Empathie und keineswegs ein Zeichen von fehlender Resilienz. Im Gegenteil, das Zulassen von Emotionen kann ein wesentlicher Schritt im Resilienzaufbauprozess sein. Mein Tipp an Sie: Bleiben Sie so, wie Sie sind. Unsere Welt braucht meines Erachtens sogar noch mehr solche Menschen wie Sie, die mitfühlend und emotional sind. Ich hoffe es, für unsere Welt.

Ich komme nicht über ein Trauma hinweg obschon ich seither zu einer Psychotherapeutin gehe mit der es zwischenmenschlich sehr gut läuft. Raten Sie mir zu einer Therapie spezifisch zur Traumabewältigung? Ich wäre so froh diesen Dorn endlich herauszubekommen und bin aber leider von meiner Familie nicht unterstützt da das Trauma vom Ex Mann von meiner Tochter mit Kleinkind ausgelöst wurde und ich leider sozusagen für ihn den Kopf hinhalten muss da sie immer noch nicht in der Kraft ist wirklich hinzusehen was geschehen ist. Vielen Dank für Ihre Rückmeldung

Alain Di Gallo: Es tut gut zu lesen, dass Sie eine gute Beziehung zu einer Psychotherapeutin aufbauen konnten. Das ist ein enorm wertvolle Stütze in Ihrer Situation, besonders, wenn Sie in Ihrer Familie keine Unterstützung im Umgang mit ihrem traumatischen Erlebnis erhalten. Es gibt spezifische Therapieformen zur Unterstützung zum Umgang mit Traumata. Sprechen Sie Ihre Therapeutin doch einmal darauf an.

Können Sie mir eine Fachperson in Zürich angeben, die einen in Sachen Resilienz befähigen kann? Besten Dank.

Mario Grossenbacher: Das Resilienz Zentrum Schweiz hat einen Beratungsstandort in Zürich. Sie können gerne einen unverbindlichen Beratungstermin vor Ort oder online vereinbaren.

Unsere Tochter (14) ist introvertiert und erzählt nur noch widerwillig von ihren Schultagen/Erlebnissen. Wir haben gehört, dass Extrovertiertheit/soziales Verhalten das wichtigste Kriterium für Resilienz ist, aber wissen nicht, wie man ihr Extrovertiertheit (auch gegenüber Gleichaltrigen) beibringen sollen. Wie kann man ihr helfen? Danke und freundliche Grüsse

Alain Di Gallo: Es wird wenig hilfreich sein, wenn Sie versuchen, Ihre Tochter zu mehr extrovertiertem Verhalten zu bringen. Entscheidender erscheint mir, wie sich Ihre Tochter fühlt, ob sie unter ihrer Introvertiertheit leidet und ob sie belastende Erfahrungen in der Schule macht oder ob sie einfach keine Lust hat, ihre Erlebnisse aus der Schule mit Ihnen zu teilen. Das ist bei 14-Jährigen nicht aussergewöhnlich. Wenn Ihre Tochter das Gefühl hat, dass Sie Ihr Temperament verändern möchten, wird sie sich Ihnen eher entziehen, als wenn Sie sie so akzeptieren, wie sie ist.

Ich habe 2016 meine Mutter an einer Krankheit verloren; vorher hatte ich einen grossen Streit mit ihr und konnte mich nicht mehr mit ihr versöhnen. 2020 ist meine 19 Jahre ältere Halbschwester um die ich mich nach dem Tod meiner Mutter gekümmert habe mit Exit aus dem Leben gegangen. Mit meinem Partner kann ich meinen Kummer nicht besprechen, nur mit Freundinnen. Im Gegenteil ich habe deswegen immer wieder Streit mit ihm. Wie kann ich solch eine Stärke wie Familie Thuor aufbringen, mich dem Kummer zu stellen und mich zu wehren? Wie im Bericht geschildert leide ich zwischenzeitlich an hohem Blutdruck und Magen Darm Beschwerden (Reizdarm). Danke für Ihre Rückmeldung.

Dr. Salih Muminagic: Ich kann verstehen, wie schwer es für Sie ist, dass Sie sich nicht von Ihrer Mutter verabschieden konnten und die Konflikte vorher belastend waren. Dazu kommen noch mehrere weitere psychosoziale Belastungsfaktoren, die es Ihnen verunmöglichen, aus diesem Teufelskreis alleine raus zu kommen. Eine psychosomatische Rehabilitation könnte Ihnen helfen, mit diesen emotionalen Herausforderungen besser umzugehen und Ihre Trauer und Probleme zu verarbeiten. Diese Art der Unterstützung bietet einen Raum, um sowohl die emotionalen als auch die körperlichen Aspekte Ihres Zustandes und Schmerzes anzugehen. Es könnte Ihnen guttun, professionelle Begleitung und gezielte Hilfe in dieser schwierigen Zeit zu erhalten. Ihr Hausarzt kann Sie auf Wunsch in eine solche psychosomatische Reha, zum Beispiel auch in unsere Rehaklinik Hasliberg, anmelden.

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Resilienz – Wie wir zu innerer Stärke kommen
Aus Puls vom 19.08.2024.
Bild: SRF/Daniel Forrer abspielen. Laufzeit 33 Minuten 23 Sekunden.

Puls, 19.08.2024, 21:05 Uhr ; 

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