In weit über 100 Konflikten kämpfen Menschen derzeit mit Waffen gegeneinander. Das bedeutet für die betroffenen Gesellschaften Krise, Not und grosses Leid. Für manche Kulturen in der Vergangenheit sogar den Untergang.
Trotzdem können Extremereignisse wie Kriege, Klimawandel oder Hungersnöte sozial lebende Arten stärken. Das gilt nicht nur für den Menschen, sondern auch für andere Primaten.
Affen teilen sich den kühlenden Schatten gerechter auf, je spärlicher er ist. Menschliche Gesellschaften wiederum erholen sich schneller von Krisen, je häufiger sie solche erleben. Das legen die paradox anmutenden Resultate zweier aktueller Studien nahe.
Je mehr Krisen, desto widerstandsfähiger
Die menschliche Geschichte ist voller Zeugnisse kollabierender Gesellschaften: vom Römischen Reich bis zur Hochkultur der Maya. Aber es gibt auch Kulturen, die gestärkt aus Krisen hervorgehen. Warum bloss?
Archäologe Philip Riris untersuchte mit seinem Team das Schicksal von sechzehn historischen Gesellschaften der vergangenen 30'000 Jahre. Das Ergebnis: Jede Kultur war mit Niedergang konfrontiert – ob im peruanischen Hochland, den australischen Trockengebieten, dem Süden Afrikas oder dem Südwesten Norwegens.
Die Gebeutelten sind resilienter als die Verschonten
Doch je öfter eine Gesellschaft einen Schock erlebte, desto widerstandsfähiger wurde sie. Das mag zynisch klingen angesichts der heutigen Kriegsschauplätze, hat aber seine Logik.
Gesellschaften können lernen, wie sie mit Extremereignissen wie Konflikten, Vulkanausbrüchen, extremer Dürre oder Hitze umgehen. Kommen Krisen häufiger, bleibt das Gelernte präsent.
Das trifft vor allem auf Ackerbau- und Viehzuchtgesellschaften zu. Nomadisch lebende Gruppen ziehen weiter, wenn’s schwierig wird. Sesshafte Menschen können das nicht.
Sesshafte Kulturen waren also besonders gezwungen, aus dem Erlebten zu lernen. Und das taten sie offensichtlich auch. Ihre Bevölkerungszahl ging zwar häufiger zurück. Über die Zeit aber waren sie insgesamt resilienter.
Krisen und Klimawandel sind eng vergesellschaftet
Oft koinzidierten Krisen mit klimatischen Veränderungen. Das gilt nicht nur für menschliche Kulturen, sondern auch für die Protagonisten der zweiten aktuellen Krisen-Studie: die Rhesusaffen auf der kleinen, unbewohnten Karibikinsel Cayo Santiago vor Puerto Rico. Lauren Brent beobachtet dort mit ihrer Forschungsgruppe seit zwölf Jahren eine Population dieser Primatenart.
Im Jahr 2017 entwurzelte ein Hurrikan die meisten Bäume auf der Karibikinsel. Nach diesem Desaster änderten die Tiere ihr Verhalten. Die gewöhnlich überaus aggressiven Rhesusmakaken wurden milder, und die Gruppe teilte sich den spärlich gewordenen Schatten gerecht auf.
Die Affen arrangierten sich also. Ganz wider ihrer Natur, aber mit Erfolg. Zwar bogen nicht alle Tiere auf den Pfad des Friedens ein, aber die garstigen Individuen lebten gefährlich. Kämpfe sind energiezehrend und erhöhen die Körpertemperatur. Das kann bei Temperaturen von bis zu 40 Grad und mangelndem Schatten tödlich enden.
So kam es, dass auf Cayo Santiago die netten Affen plötzlich einen Überlebensvorteil hatten. Sie pflanzten sich fort und brachten weitere versöhnliche Generationen hervor. Sozusagen eine friedliche Evolution im Zeitraffer.