«Ohne Tanz, ohne Bühne, ohne Publikum kann ich nicht leben», sagt Othella Dallas von sich selbst. Auch heute, im Alter von 90 Jahren, unterrichtet sie dreimal die Woche in ihrer Tanzschule in Basel. Keine Spur von Müdigkeit. Dallas ist und bleibt ein Energiebündel.
Erste Tanzschritte auf dem Küchentisch
Ihre ersten Tanzschritte reichen zurück in ihre Kindheit in Memphis, Tennessee. Ihre Mutter und ihre Tante lehrten ihr auf dem Küchentisch zu steppen, da war sie fünf Jahre alt. «Das war der Anfang meiner Karriere», erinnert sich Dallas. Von da an trat sie auf der Strasse und in Lokalen auf und verdiente so zusätzlich Geld, damit ihre Familie genügend zu Essen hatte.
Damals in den 1930er- bis 1960er-Jahren herrschten in Memphis Rassismus und Intoleranz gegenüber der schwarzen Bevölkerung. «Wir wurden in eine Ecke gedrängt. Damit ist eine ganze Kultur von Amerika verloren gegangen», sagt Dallas. Rassentrennung galt auch für die Bühne. Schwarze hatten ihre eigenen Clubs und Theater.
Der Haupteingang war nur für Weisse
Auch zwanzig Jahre später – als Dallas bereits als Sängerin international bekannt war – musste sie die Theater in ihrer Heimat jeweils durch die Hintertür betreten. Der Haupteingang war für Weisse reserviert. Als Künstlerin war sie auf der Bühne geduldet, als Gast jedoch unerwünscht: «Musik und Tanz war das Einzige, das Schwarzen in Memphis damals blieb.»
Zurück zum Anfang ihrer 70-jährigen Tanzkarriere: Mit 19 Jahren wurde Dallas von Choreografin Catherine Dunham entdeckt – eine Pionierin des «Black Dance». Die Dunham Company war damals die erste Tanzgruppe, in der Schwarze und Weisse gemeinsam auftraten. «Sie öffnete mir und anderen schwarzen Künstlern die Türen zur Welt», erzählt Dallas, «der Tanz hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin». Das Ensemble setzte sich unermüdlich ein, dem schwarzen Amerika eine Stimme zu geben.
Schon als Mädchen träumte sie von der Schweiz
Die Dunham Company verliess Dallas 1950. Der Liebe wegen zog sie in die Schweiz, um ihren ehemaligen Brieffreund und Fan, den Ingenieur Peter Wydler zu heiraten. Das erste Mal trafen sie sich in Paris, wo Dallas auf einer Tournee war. Sie verliebte sich auf den ersten Blick – in den Mann und wenig später in sein Land. Schon als Mädchen hatte Dallas von der Schweiz geträumt, von Bergen und Schnee.
Kurz darauf wurde ihr gemeinsamer Sohn Peter geboren, den Dallas abends in den Schlaf sang. Ihr Mann und dann auch ihr Manager überzeugte sie davon, auf der Bühne nicht nur zu tanzen, sondern auch zu singen. Seither sind unzählige Aufnahmen im Stil der Blackmusic und des Jazz entstanden. Eines ihrer bekanntesten Stücke ist «Free and Easy».
In ihrer neuen Heimat Basel eröffnete Othella Dallas ihre eigene Tanzschule. Hier unterrichtet sie noch immer – in Stil und Tradition von Catherine Dunham. Mit ihrem Hüftschwung und ihrem Rhythmusgefühl erobert die Grand Dame des Tanzes die Herzen ihrer Schülerinnen immer wieder von neuem.
Auch mit 90 Jahren noch Tanzlehrerin
Die 90-jährige Dallas gibt ihre Philosophie heute an jüngere Menschen weiter: «Tanzen ist eine Freude, wenn du deine Seele, dein Herz und deinen Bauch spürst.» Auch mit 90 Jahren hat sie noch nicht genug vom Rampenlicht: «Tanzen ist wie Atmen für mich.» Das Feuer des Jazz brennt unbändig in ihr. Immer noch startet sie als Sängerin durch – im roten Paillettenkleid und auf Highheels. Mit ihren Showeinlagen erobert sie das Publikum vom ersten Augenblick an. Sie tut das, was sie schon immer tun wollte – und Othella Dallas will dies auch weiterhin tun: durch ihr Leben tanzen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei 3sat.de.