Für Cosima Grand war klar: Ihr Stück «Restless Beings» sollte nicht nur auf der Bühne eine Kritik an der zerstörerischen Haltung der Menschen gegenüber der Umwelt sein. Sie wollte es auch nachhaltig produzieren. «Wir haben mit Bühnenbildelementen aus alten Stücken gearbeitet. Auch die Kostüme kamen von Restposten und rezyklierten Materialien.»
Damit machte die Choreografin und Tänzerin, was sie und viele andere auch in ihrem privaten Leben tun: Konsum einschränken, Secondhand-Kleider tragen, reparieren statt neu kaufen.
Auch hinter der Bühne nachhaltig
Aber es geht um mehr: Die Haltung und das Denken in der Kulturbranche müssen sich ändern. Althergebrachte Strukturen und Prozesse überdacht werden, hin zu einem ökologischen und nachhaltigen Produzieren.
Für «Restless Beings» hat Cosima Grand mit einer Modedesignerin zusammengearbeitet, die sich seit langem mit nachhaltiger Mode auseinandersetzt. Solche Zusammenarbeiten sind richtungsweisend: So kann die schon vorhandene Expertise geteilt werden.
Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Schweizer Kulturbranche angekommen. In den letzten Jahren sind in Pionierprojekten Richtlinien, Studien, Green Guides und mehr entstanden, um herauszufinden, wie sich der eigene ökologische Fussabdruck reduzieren lässt. Werkzeuge, um ins Handeln zu kommen.
Das Dilemma mit dem Reisen
«Es ist wichtig, den jeweils richtigen Hebel zu finden, um möglichst effizient und sinnvoll den CO₂-Verbrauch der Branche zu reduzieren», sagt die Umweltmanagerin Annett Baumast. Sie beschäftigt sich seit 15 Jahren mit Nachhaltigkeit im Kulturbereich und war damit eine der ersten im deutschsprachigen Raum.
Wir versuchen Tourneen so zu organisieren, dass wir nicht nur für eine oder zwei Vorstellungen eine lange Reise machen müssen.
Ein in einem denkmalgeschützten Haus untergebrachtes Theater kann nicht kurzerhand Solarpanels auf dem Dach anbringen. Ein internationales Festival kann Künstlerinnen und Künstlern aus dem globalen Süden nicht vorschreiben, mit dem Zug anzureisen. Sie nicht mehr einzuladen, darf aber auch keine Lösung sein. Es würde zu einer Verarmung der Kultur führen.
Zwei Tage Zugreisen für eine Vorstellung?
Neben der Reduktion des Energieverbrauchs und dem nachhaltigen Produzieren, ist die Mobilität ein grosses Thema in der Kultur. Gerade in der Tanz- und Theaterszene ist die internationale Vernetzung künstlerisch von grossem Wert.
Auch für die Choreografin Cosima Grand ist der internationale Austausch wichtig. Sie tourt mit ihren Stücken regelmässig in anderen europäischen Ländern. In der Regel nehmen sie und ihre Performerinnen dabei den Zug.
Doch einen Tag Hinfahrt und einen Tag Rückfahrt für eine einzige Vorstellung? Da stellt sich die Frage, wer das zahlt. Und ob diese verlangsamte Form des Reisens für Mitglieder mit Familie überhaupt machbar ist.
Wer trägt die Kosten?
«Wir bezahlen die Anfahrt als einen halben Arbeitstag und versuchen Tourneen so zu organisieren, dass wir nicht nur für eine oder zwei Vorstellungen eine lange Reise machen müssen», erklärt Grand.
Nachhaltiges Reisen und soziale Gerechtigkeit hängen eng zusammen. Es geht dabei nicht zuletzt um finanzielle Entscheidungen. Ein Dilemma, da Kulturbudgets oft sowieso schon prekär sind.
Hier ist auch die Kulturpolitik in der Pflicht. Immerhin: In der Kulturbotschaft des Bundesamtes für Kultur für die Jahre 2025 bis 2028, die gerade in der Vernehmlassung ist, ist Nachhaltigkeit ein Schwerpunktthema.