Vor drei Jahren fand an der Dimitri-Akademie im Tessin ein sexueller Übergriff statt. Eine Schülerin wurde damals von einem anderen Student sexuell belästigt. Aufgedeckt hat dies der «Tages-Anzeiger».
Dieser Fall zeigt, wie wenig sensibilisiert die Schule gegenüber diesem Thema war, in der enger Körperkontakt zum täglichen Unterrichtsprogramm gehört. Das hat sich geändert – in der Theorie.
Prävention steht an erster Stelle
Co-Direktorin Veronica Provenzale ist erst seit kurzem für die Dimitri-Akademie tätig, die an die Tessiner Fachhochschule SUPSI angegliedert ist. In den letzten zwei Jahren sei an der Akademie viel in Sachen Prävention und Umgang mit sexualisierter Gewalt getan worden.
«Wir von der Akademie haben uns sofort der Fachgruppe der Fachhochschule angeschlossen und angefangen, gemeinsam einen Leitfaden zu entwickeln. Dieser definiert, was zulässig ist und was nicht – und was im Fall eines Missbrauchs zu tun ist.»
Vertrauenspersonen als Gegenmassnahme
Nebst diesem Leitfaden wurden zudem schulinterne Stellen sogenannter Vertrauenspersonen geschaffen. Diese speziell geschulten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fungierten innerhalb der Schule als Ansprechpartner für Personen, die Opfer sexualisierter Gewalt sind. All diese Instrumente gab es 2021 noch nicht, als der Missbrauch stattfand.
«Wir hatten damals keinen Leitfaden, der aufzeigte, was zu tun sei. Und es gab damals keine Sensibilisierungsarbeit, die präventiv wirkte, mit dem Ziel, dass gar kein Missbrauch stattfindet», sagt Veronica Provenzale.
Der Missbrauchsfall an der Akademie Dimitri beleuchtet also vor allem eine grosse Lücke, die in der Zwischenzeit durch diverse Massnahmen geschlossen worden ist.
Richtlinien kommen, aber mit Verspätung
Die Bildungsinstitution im Tessin ist mit dieser Verspätung von Massnahmen keine Ausnahme. Das betont auch Akademie-Direktorin Veronica Provenzale.
Sie sieht eine klare rote Linie für Ausbildungsorte, in welchen der eigene Körper das Unterrichtsmaterial ist: «Diese Körperarbeit darf auf keinen Fall ein Vorwand sein, um die Grenzen zu überschreiten und einen anderen Menschen zu verletzen.»
Auch Berufsverband sieht Handlungsbedarf
Jetzt wird an der Akademie über die Risiken der sexuellen Gewalt gesprochen, schulintern wird der Dialog darüber stark gefördert. Auf dem Papier ist der Umgang mit sexualisierter Gewalt festgelegt. Wie weit damit Übergriffe verhindert werden können, wird wohl die Zeit zeigen.
Beim Berufsverband für Tanz «Danse Suisse» heisst es auf Anfrage, dass es grundsätzlich und losgelöst von den Vorkommnissen im Tessin nötig sei, verstärkt auf Aufklärung und Sensibilisierung zu setzen. Damit könne eine «nachhaltige Veränderung» herbeigeführt werden, wie der Verband schreibt.