Die Tickets gehen weg wie warme Semmeln und die Auslastung liegt bei hohen 90 Prozent: Familienopern boomen. Insgesamt drei solcher Produktionen laufen derzeit am Theater Basel und dem Opernhaus Zürich.
Was macht die aktuellen Produktionen in künstlerischer Hinsicht so erfolgreich? Da gehen die drei aktuellen Opern unterschiedliche Wege.
Erfolgsfaktor: Spezialeffekt
Eine Familienoper im Programm des Theaters Basel ist zurzeit die Märchenoper «Andersens Welten» für Kinder ab zehn Jahren und ihre Familien Die Geschichte dreht sich um unerfüllte Liebe, Ausgrenzung durch Anderssein und die Kraft der Träume.
Das Stück holt die Kinder nicht nur thematisch ab. Die Musik von Jherek Bischoff hat Musical-Qualitäten und ist unterhaltend. Das Bühnenspektakel mit Unterwasserwelt und Märchenzauber stellt so manchen Kinofilm in den Schatten.
Familienprobleme in Familienopern
Ein anderer Grund für den Erfolg von Familienopern: Sie sprechen nicht nur Kinder an, sondern behandeln auch Themen, die alle Familienmitglieder betreffen.
Diese Strategie verfolgt auch das Opernhaus Zürich. Auf der grossen Bühne läuft derzeit «Coraline» mit Musik von Mark-Anthony Turnage, für Kinder ab acht Jahren.
Coraline ist elf und hat weder Spielgefährten noch Eltern, die Zeit für sie haben. Diese sind stets am Arbeiten. Zwischendrin kochen sie gesundes Gemüse, das Coraline genauso wenig schmeckt wie der ganze Umzug ins neue Haus.
Gruselfaktor und Seitenhiebe in Richtung Eltern
Irgendwann entdeckt Coraline eine Tür, die in eine andere Welt führt: Dort gibt es Eltern, die immer Zeit haben und jeden Wunsch erfüllen. Erliegt Coraline den Verführungskünsten der «Andermutter» in der «Anderwelt»?
Eine spannende Geschichte mit hohem Gruselfaktor entwickelt sich – und so mancher Seitenhieb geht in Richtung Eltern. Viele von ihnen dürften den Konflikt zwischen Arbeit und Familienzeit kennen.
Kinder auf der Bühne als Identifikationsfläche
Einen allgegenwärtigen Konflikt greift auch «Schellen-Ursli» auf. Er läuft auf der kleinen Bühne des Theaters Basel für Kinder ab sechs Jahren. Komponist Marius Felix Lange vertont hier den Kinderbuchklassiker neu.
Die Geschichte ist bekannt: Ursli macht sich nachts allein auf den Weg, um sich für den traditionellen Chalandamarz-Umzug die grösste Glocke aus der Berghütte zu holen. Doch nostalgisch ist die Produktion keineswegs, sondern sehr modern.
Als Motor für die Geschichte von Ursli wird auf der Basler Bühne das Mobbing durch die anderen Dorf-Kinder hervorgehoben. Und Mobbing – das kennen heute nahezu alle Kinder.
Anders als in «Coraline» oder der «Märchenoper» stehen beim «Schellen-Ursli» Kinder auf der Bühne. Sie spielen und singen anspruchsvolle Partien. Damit bietet das Stück den Kindern im Publikum eine grössere Identifikationsfläche als erwachsenen Darsteller.
Werbung für Zeitgenössische Musik
Den Produktionen in Basel und Zürich gemein ist die zeitgenössische Musik. Mit ihr gehen Kinder erfahrungsgemäss sehr offen um, im Gegensatz zu den Erwachsenen.
Die Besucherzahlen bei Konzerten mit zeitgenössischer Musik sind nämlich niedrig. Mit den Familienopern bewirken so die Häuser in Basel und Zürich, dass auch Erwachsene wieder mehr mit zeitgenössischer Musik in Kontakt kommen.