Der Arbeitstag beginnt für die technische Crew um 7 Uhr mit dem Abbau des Bühnenbildes vom Vorabend. Das dauert dreieinhalb Stunden. Gegen Mittag sind Bühnenbild, Licht und Ton eingerichtet für die Produktion, die als nächstes am Pfauen Premiere hat.
Die Probenzeit ist kurz, denn die Bühne muss danach für die Abendvorstellung eingerichtet werden. Ein enormer Aufwand, den das Publikum gar nicht mitbekommt.
Eine Frage der Sicherheit
Technikdirektor Dirk Waschkuhn hat 200 Produktionen am Pfauen begleitet und kennt die Tücken des Hauses. Der Platz ist knapp: Es fehlt eine Hinter- und eine Seitenbühne. Für die Einlagerung von maximal vier Bühnenbildern im Bauch des Theaters braucht es den Transportlift – und der steht mitten auf der Bühne. Entweder macht man Logistik oder probt, beides gleichzeitig geht nicht. «Es ist die Quadratur der Kreises», sagt Waschkuhn.
Der Chef der Technik ist auch für die Sicherheit des Publikums zuständig. Im Ernstfall müssten 750 Zuschauende durch den Personaleingang und das Foyer evakuiert werden. Deshalb darf im Foyer nichts herumstehen, und das wiederum macht das eh schon kleine Foyer nicht eben gastlich. Man rempelt sich an, vor der Garderobe und den Toiletten bilden sich lange Schlangen.
«Einmalige Aura»
Das stört die passionierte Theatergängerin Lydia Trüb nicht. Die Vizepräsidentin des Zürcher Heimatschutzes kann nicht fassen, dass der geschichtsträchtige Zuschauersaal mit den rotgepolsterten Sitzreihen, der rosa Wandbespannung und dem Kristallleuchter verschwinden soll. Es sei ein magischer Ort.
«Diese einmalige Aura ergibt sich aus dem Bauwerk selber und der Art seiner Konstruktion», sagt Trüb. Aber auch aus seiner Geschichte, den Erinnerungen und Erzählungen, vielleicht sogar aus seinem Geruch.
Für den Heimatschutz steht demnach die Erhaltung des Pfauensaals im Vordergrund, nicht abwendbare Eingriffe sollten weder die baugeschichtliche Substanz noch die erinnerungsreiche Aura gefährden.
Dicke Luft, schlechte Sicht
Die Bühnenbildnerin Muriel Gerstner hat eine dezidierte Haltung zur Frage, ob der Pfauen in Zukunft ein Denkmal oder ein Funktionsraum für Theater sein wird. Während der Intendanz von Barbara Frey hat sie zehn Bühnenbilder für den Pfauen konzipiert und gebaut.
Sie weiss, dass die Möglichkeiten beschränkt sind, wenn man allen Zuschauenden eine gute Sicht auf die Bühne und die Verständlichkeit garantieren will. Muriel Gerstner wünscht sich für den Pfauen generell mehr Luft, damit die Energie zwischen Bühne und Saal zirkulieren kann.
Der Pfauen liegt zwischen City, Hochschulquartier und unmittelbar neben dem Kunsthaus. Seine Sichtbarkeit ist Muriel Gerstner wichtig. «Im Zweiten Weltkrieg haben hier so viele Künstlerinnen und Künstler eine Heimat gefunden, doch das Gebäude ist städtebaulich nicht präsent», sagt die Bühnenbildnerin.
Ihr Vorschlag: Man solle den Platz umbenennen und der Schauspielerin Therese Giehse ein Denkmal setzen. Eine Therese-Giehse-Strasse gibt es bereits – am anderen Ende der Stadt und weit weg vom Theater.
Entwicklung ist nicht das Ende
Nikola Weisse hat in ihrer 60-jährigen Schauspielkarriere immer wieder am Pfauen auf der Bühne gestanden, zuletzt in Christoph Marthalers «Das Weinen – das Wähnen». Ihr Blick in den Zuschauersaal ist alles andere als nostalgisch: «Die geistige Landesverteidigung sitzt ja nicht in diesen Reihen», sagt sie. «Und was da alles an Technik rumhängt, ist nicht mehr schön.»
Nikola Weisse hat manchen Theaterstreit und manchen Theaterumbau erlebt. Und auch manche Entwicklung der Schauspielkunst: die Ästhetik, die Spielweisen und Produktionsbedingungen, alles hat sich immerzu verändert. Für sie ist der Pfauen ein Mythos. «Am Ende geht es immer um Menschen, die eines wollen: sich im Theater begegnen.»