Was ist passiert? Im Dezember warf der Schauspieler Yan Balistoy dem Theater Neumarkt vor, ihn diskriminiert zu haben, weil er Israeli ist. Daraufhin untersuchte ein Anwaltsbüro das Arbeitsklima am Haus und stellte dem Neumarkt ein gutes Zeugnis aus: Von Antisemitismus und Diskriminierung sei nichts zu bemerken. Den konkreten Fall Balistoy hatte die Untersuchung jedoch ausgeklammert. Diesen müsse ein Gericht beurteilen. Im Juni reichte der Schauspieler dann Strafanzeige gegen das Theater Neumarkt ein. Diese wurde nun von der Zürcher Staatsanwaltschaft verworfen – so berichten es NZZ und Tagesanzeiger.
Was wirft Yan Balistoy dem Theater konkret vor? Das Theater habe den Schauspieler diskriminiert, indem es ihn nicht gleichzeitig mit einer Kollegin aus dem Libanon besetzt habe und damit gegen die Antirassismus-Strafnorm verstossen. In seinem offenen Brief vom Dezember hatte Balistoy beklagt, dass er nur bei der Hälfte aller Stücke eingesetzt werde. Der Grund: Seine libanesische Schauspielkollegin fürchtet um ihre Sicherheit, wenn bekannt wird, dass sie mit einem Israeli zusammenarbeitet. Das Theater reagierte darauf, indem es die beiden nicht mehr gemeinsam auftreten liess.
Woher rühren die Befürchtungen der Schauspielerin? Der Hintergrund ist ein libanesisches Boykottgesetz gegen Israel. Als Balistoy vor zweieinhalb Jahren engagiert wurde, hat die Libanesin die Theaterleitung darauf aufmerksam gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits im Ensemble. Darauf hat das Theater diese Kompromisslösung gefunden.
Warum wurde nun Balistoys Strafanzeige abgewiesen? Laut Zürcher Staatsanwaltschaft seien die Voraussetzungen für die Eröffnung einer Untersuchung nicht gegeben. Wenngleich es «tatsächlich stossend» sei, dass der schweizerisch-israelische Staatsbürger wegen eines libanesischen Gesetzes und der daraus folgenden Einschränkung des Theaters nicht mit einer Libanesin auf der Bühne stehen durfte, heisst es in der Verfügung der Staatsanwaltschaft. Aber dies sei «offenkundig kein Ausdruck einer Behandlung des Anzeigeerstatters als einen Menschen zweiter Klasse».
Ist das Theater Neumarkt nun aus dem Schneider? Verwaltungsratspräsident Thomas Busin zeigte sich erleichtert: «Wir sind sehr froh über die sachliche und deutliche Einschätzung, dass die strafrechtliche erhobenen Vorwürfe als nicht haltbar erachtet werden». Die öffentlich gemachten rufschädigenden Behauptungen hätten der Reputation des Hauses geschadet und auch ihre Integrität als Arbeitgeber und als Menschen in Zweifel gezogen. Mehr wolle er nicht sagen, solange auf arbeitsrechtlicher Ebene noch Gespräche laufen. Das Theater versucht, mit Balistoy einen Vergleich zu erreichen.
Und wie hat Balistoy reagiert? Laut dem Sprecher des Schauspielers, Sacha Wigdorovits, könne man über den Entscheid nur den Kopf schütteln. Einerseits sage die Staatsanwaltschaft, sie stosse sich daran, dass ein libanesisches Gesetz überhaupt eine Rolle spiele. Anderseits sage sie, dass aber keine Diskriminierung vorliege. Der Schauspieler habe daher Beschwerde beim Zürcher Obergericht eingereicht. Dieses muss nun entscheiden, ob das Theater in seinem Fall antisemitisch gehandelt hat oder eben nicht.
Transparenzhinweis: Eine frühere Version dieses Artikels wurde am 23.04.2024 veröffentlicht.