Das Wichtigste in Kürze:
- Matthias von Hartz ist ab 2018 Künstlerischer Leiter des Zürcher Theaterspektakels. Er löst Sandro Lunin ab.
- Bisher leitete Matthias von Hartz Theaterfestivals in Hamburg, Berlin, Hannover und zuletzt in Athen.
- Die Bühne bietet für ihn einen Raum für kreativen Widerstand.
Es war ein Sturm wie keiner zuvor. Noch nie in 38 Jahren Theaterspektakel musste die Landiwiese geräumt werden. War dieses Wetterspektakel ein Zeichen der Anerkennung für den scheidenden künstlerischen Leiter Sandro Lunin? Oder ein Willkommensgruss an seinen Nachfolger Matthias von Hartz?
Rauen Wind gewohnt
Am Morgen danach hat sich der Sturm gelegt. Matthias von Hartz kommt mit dem Fahrrad auf das Festivalgelände am Zürichsee. Blond, das Haar zerzaust. Offen, zugänglich, mit einer klaren Vorstellung, welchen Platz Theater in der Gesellschaft einnehmen soll.
Rauen Wind ist er aus Hamburg gewohnt, wo er bisher gelebt hat. Aber auch von vielen politischen Grossevents wie G8, Klimagipfeln oder G20, die er zum Anlass für Projekte über künstlerischen Widerstand genommen hat.
Kreativer Protest
Vor dem desaströsen G20-Gipfel im Juli in Hamburg schrieb Matthias von Hartz im «Spiegel» : «Wir sollten in Zeiten von Populismus froh sein über jeden, der sich noch nicht in Angst oder Apathie geflüchtet hat.»
Wohl wahr – und er meinte damit nicht die Gewaltexzesse des Schwarzen Blocks und der Hamburger Polizei. Sondern den kreativen Widerstand, der im öffentlichen Raum seinen Ausdruck findet: als Diskurs, als öffentliches Nachdenken, als künstlerischer Protest.
«Anmut des Widerstands»
Am Schauspiel Frankfurt hatte er 2005 einen internationalen Kongress im Spannungsfeld zwischen Kunst, Wissenschaft und Aktivismus kuratiert. «Wir haben schönen Widerstand aus der ganzen Welt eingeladen», schrieb er dazu.
«Aktivisten werden in Workshops wahnsinnige Aktionen planen, Wissenschaftler darüber nachdenken, wogegen wir sein sollten und Künstler in allen nur erdenklichen Weisen die ganze Anmut des Widerstands geradezu unwiderstehlich machen.»
Räume zum Nachdenken
Doch Mathias von Hartz in die linke Schublade zu stecken, wäre zu einfach, zu banal. Denn was heisst heutzutage schon «links»?
Theater und Kulturinstitutionen als Nachdenkräume zu definieren, in denen die brisanten Themen unserer Zeit behandelt werden, ist längst Usus und notwendige Praxis.
In Hamburg, Berlin, Hannover und zuletzt beim Athen und Epidaurus Festival hat von Hartz bewiesen, dass er auf der Klaviatur des zeitgenössischen Festivalbetriebs spielen kann.
Er brachte die 24-Stunden-Performance «Mount Olympus» des Belgiers Jan Fabre nach Berlin, arbeitete mit Grössen wie Anne Teresa de Keersmaeker, mit den Rosas, mit dem ungarischen Regisseur Árpád Schilling – allesamt keine Unbekannten in der Schweiz.
Theater aus dem Süden
Vor dem Programm seines Vorgängers Sandro Lunin und dessen Team zeigt er höchsten Respekt. Vor allem, was deren Zusammenarbeit mit Künstlern und Künstlerinnen aus anderen Kontinenten betrifft.
«Der Blick in den Süden, den dieses Festival wagt, ist in Europa fast einzigartig. Und es ist auch singulär, was für ein grosses Publikum es dafür gibt. Deswegen werde ich das in jedem Fall weitermachen», erläutert Matthias von Hartz.
Entgrenzt und dialogisch
Hat er bereits einen Wunsch, eine Sehnsucht, was im nächsten Sommer auf der Zürcher Landiwiese stattfinden soll? «Zwei Sachen kann ich aus meiner Arbeit der letzten Jahre formulieren», antwortet er, anfangs zögerlich.
«Ich habe sehr viel mit bildenden Künstlern und Pop-Musikern gearbeitet. Die Entgrenzung des Theaters und Tanzes in andere Genres hinein, das ist etwas, woran ich jetzt denke und dafür bietet dieses Gelände auch viel Potential.» Das sei das eine.
Das andere: «Ich versuche immer auch Kommunikationsräume herzustellen, den Anlass des Theaters zu nutzen, ins Gespräch zu kommen. Über Gesellschaft, über Kunst. Das wäre auch ein Ziel.»