Der erste Sex? Schrecklich, peinlich, ein Desaster – das sagen sie fast alle, die Männer im Céline Pernets Film «Garçonnières».
In ihrem Film bittet die Regisseurin Männer zwischen 30 und 45 zum Gespräch – über die Rolle des Mannes, sein Image, seine Sexualität, seine Ängste und Hoffnungen. Das Ergebnis: eine heitere filmische Erkundungsreise zum Selbstverständnis des «starken Geschlechts» in der heutigen Gesellschaft.
Was Sie schon immer über Männer wissen wollten
Sie habe Männer immer faszinierend gefunden, erklärt Filmemacherin Pernet zu Beginn ihres täuschend einfachen Dokumentarfilms. Aber irgendwann sei ihr klar geworden, dass sie keine grosse Ahnung davon habe, wie diese Männer eigentlich funktionieren.
Und so suchte sie per Annonce Männer, die sich auf ein gefilmtes Interview mit ihr einlassen würden, auf ein Gespräch über nichts weniger als: alles. Mit einfachen, direkten Fragen gelingt es der Filmemacherin, genauso einfache, offene Antworten zu bekommen.
Die Männer zeigen Unsicherheit, aber auch Verständnis für den machoiden Backlash angesichts schwindender Privilegien. Und – die meisten jedenfalls – die Erkenntnis, dass es mit den alten Rollenmodellen schon lange nicht mehr funktioniert. Die wohltuendste Erkenntnis dieses Filmes: Die Interviewten haben alle längst gemerkt, wo es klemmt. Und sie haben Wege gefunden, damit zu leben.
Dokumentarische Distanz – wozu?
Doch nicht nur die Interviewten sprechen offenherzig über ihr Geschlecht. In der ungezwungenen Atmosphäre ist es Pernet selbst, die die Grenzen des Genres verschiebt.
Wie? Sie bricht das Talking-Heads-Setup auf: weg von der klassischen Befragungssituation und hin zu einem einvernehmlichen, vertrauensvollen Austausch. Ein stilistischer Kniff, der den Film lebendig und nahbar macht.
Aus dem Off hört man Pernet davon reden, wie sie als kleines Mädchen die Prinzessin habe sein wollen – unterlegt von entsprechenden Home-Movie-Sequenzen. Später habe sie aber erkannt, was der Preis dafür sei: als Frau stets gefallen zu müssen «et se laisser faire» – also passiv zu bleiben.
Sie erzählt von ihren vielen Dates, von Tinder, der grossartigen Möglichkeit unverbindlichen Sex zu haben. Und sie leistet einen Offenbarungseid: tiefere Beziehungen oder gar Muttersein? Fehlanzeige.
Klischees in Serie
Einen wertvollen filmischen Beitrag liefern Zwischensequenzen, die wie eigenständige Kurzdokus wirken und Männer zeigen, die Männersachen machen: Hockey spielen. Schiessen. Rasenmähen. Jungs, die auf dem Zehn-Meter-Sprungturm stehen und wieder herunterklettern. Zwei Männer, die riesige, penisartige Hecken zurechtstutzen.
Diese Kurzdokus sind schon für sich genommen schlicht hinreissend. In Kombination mit den Gesprächen wirken sie auf liebevolle Weise ironisch kommentierend.
Filmischer Zoom ins männliche Oberstübchen
«Garçonnières» sind Junggesellenwohnungen. Im Film sind das aber die kleinen Kopf-Quartiere, in denen diese Männer sich sicher genug fühlen, um bei sich zu sein. Dass der ganze Film zu so einer hellen, angenehmen Garçonnière geworden ist, macht Freude.
Und dass die Männer ihre Offenheit hier mit einer Frau teilen, auf eine Weise, die sie unter sich wohl kaum je finden würden – das ist der Metawitz und Hoffnungsmotor von Garçonnières.