Sie schnarchen, kreischen oder erklären die Welt – ob man es will oder nicht. An der «Mostra del Cinema» Venedig trifft man auf Menschen, die es wohl an jedem grossen Filmfestival der Welt gibt.
Diese fünf Typen sind mir besonders aufgefallen.
Typ 1: Der Kopfwackler
Alle paar Vorstellungen passiert es mir wieder: Ich setze mich genau hinter einen Kopfwackler. Der dreht seinen Kopf immer wieder auf eine andere Seite. Er kippt ihn seitlich nach links, sinkt tief in den Sessel, setzt sich dann aber sofort wieder kerzengerade hin, um umgehend den Kopf wieder nach rechts zu kippen – und dann wieder von vorne anzufangen.
Das wäre alles nicht so schlimm, stünden die englischen Untertitel beim Festival in Venedig nicht unter der Leinwand. Um den Film zu verstehen und mehr zu sehen als die Silhouette eines Hinterkopfs, muss ich mit dem Wackler mitwackeln. Dies wiederum zwingt die Person, die hinter mir sitzt, zum Kopfwackeln. Und so geht es weiter und weiter und weiter.
Typ 2: Die Randfiguren
Die Randfiguren versuchen, möglichst früh in den Saal zu gelangen, um sich einen Platz am Rand zu sichern. Im normalen Kino sind diese Plätze nicht so beliebt, bei Pressevorstellungen aber umso mehr. Sollte der Film schlecht sein, ist man schnell wieder draussen. Während der Vorstellung kann man so zudem einfacher auf die Toilette gehen.
Vor Vorstellungsbeginn spielt sich im Saal ein ständiges Aufstehen, Hinsetzen und wieder Aufstehen ab.
Wenn Randfiguren ihren Platz im Saal gefunden haben, müssen sie jeweils etwa 20 Mal aufstehen, weil alle anderen Besucher auch einen Platz in der Reihe einnehmen – natürlich auch so nah am Rand wie möglich.
Vor Vorstellungsbeginn spielt sich im Saal deshalb ein ständiges Aufstehen, Hinsetzen und wieder Aufstehen ab. Ich gestehe: Zu Typ 2 gehöre auch ich, obwohl ich praktisch nie während des Films auf die Toilette gehe und auch sehr selten rauslaufe.
Typ 3: Der Schnarcher
Meistens ältere Herren. Sie sind etwas beleibter, nehmen sehr viel Platz ein, reden viel und laut vor der Vorstellung, und in den ersten fünf Minuten verlagern sie sich alle 30 Sekunden. Wenn endlich die bequeme Sitzposition gefunden ist, geben sie etwa eine Minute lang Ruhe. Dann beginnt das regelmässige Atmen, dann das Schnärcheln, und schlussendlich artet es in dröhnendes Schnarchen aus.
Wird es zu laut, stösst jemand den Schnarcher sanft an. Das hilft aber nur bedingt, ein paar Minuten später geht‘s wieder los. Ich hoffe dann immer auf laute Explosionen, Streit oder Technomusik im Film. Ich muss allerdings gestehen, dass auch ich an jedem Filmfestival ein- bis zweimal im Kino einnicke.
Typ 4: Der Mansplainer
Dieser Typ kommt zum Vorschein, wenn man sich beim Rausgehen trifft und über den eben gesehenen Film spricht, werweisst, Theorien wälzt und die eigenen Sichtweisen kundtut.
Der Mansplainer hat den Film gesehen und verstanden.
Der Mansplainer aber mutmasst nicht – er weiss. Er hat den Film gesehen und verstanden. Er ist so grosszügig, mir als Frau dieses Wissen zu offenbaren. (Natürlich nicht nur über den Film, sondern auch über die ganze restliche Welt.) Zum Glück gibt es ihn, den Mansplainer, sonst würde ich nach dem Festival ganz unwissend und uninspiriert nach Hause fahren.
Typ 5: Die Fangirls
Morgens um 08:00 Uhr, wenn ich aufs Festivalgelände komme, sind sie schon da: eine kleine Gruppe junger Frauen zwischen 15 und 20 Jahren. Sie campen vor dem roten Teppich – bei Regen, bei stechender Sonne oder bei Hitze. Ihr Tagesziel: Bei den Premieren am Abend wollen sie einen Moment des Glanzes und des Glücks oder gar ein Selfie mit einem Star erwischen.
Weil der rote Teppich in Venedig riesig ist und die Stars sich gut gelaunt zeigen, werden die Fangirls hier meistens belohnt – vor allem, wenn sich einer wie Willem Dafoe lange Zeit nimmt, alle anstrahlt und mit jedem einzelnen Fangirl für ein Selfie posiert.
Ich persönlich sehe die Stars ja lieber in Action auf der Leinwand. Etwas Glück am roten Teppich sei den Fangirls aber von Herzen gegönnt.