Lubo Mosers Familie zieht im Kanton Graubünden von Dorf zu Dorf, führt Strassentheater auf und lebt in zwei Pferdewagen. Die Mosers sind Jenische, Nomaden. Sie sprechen eine eigene Sprache, haben ihre eigene Kultur.
Es ist 1939, um die Schweiz herum herrscht Krieg und Lubo (Franz Rogowski) wird von der Strasse weg eingezogen für den Grenzschutz. Als er weg ist, holt die Gendarmerie seine Kinder, seine Frau stirbt beim Versuch, sich zu wehren.
Suche, Mord und Identitätsdiebstahl
Das ist der Anfang des Films «Lubo», den der italienische Regisseur Giorgio Diritti basierend auf dem Roman «Il Seminatore» gedreht hat. Lubos Familie ist ein Opfer der «Aktion Kinder der Landstrasse»: Die halbstaatliche Organisation Pro Juventute nahm zwischen 1926 und 1973 hauptsächlich jenischen Familien ihre Kinder weg und brachte sie in Heimen oder Pflegefamilien unter.
In der Folge desertiert Lubo, bringt einen reichen österreichisch-jüdischen Tuch- und Schmuckhändler um und stiehlt dessen Besitz und Identität. In seiner neuen Rolle als Bruno Reiter versucht er fortan, in Zürich Kontakt zur Pro Juventute zu bekommen, um etwas über den Verbleib seiner Kinder zu erfahren.
Bald schon ist jedoch nicht mehr ganz klar, was Lubo eigentlich genau antreibt. Der Film erzählt die nächsten 20 Jahre im Leben von Lubo recht lückenhaft und nicht immer nachvollziehbar. Lubos Suche nach den Kindern gerät zunehmend in den Hintergrund, das Leiden der Jenischen unter der unmenschlichen Praxis der Schweizer Behörden ist nur noch marginal Thema.
Viele Affären und Schlenker
Lubo fängt unterdessen verschiedene Liebesaffären an – mit der Witwe eines Pro-Juventute-Funktionärs und der Ehefrau eines Bankiers. Nach einem grösseren Zeitsprung ist Lubo plötzlich im Tessin, in Bellinzona, und hat eine Beziehung mit einer Hotelangestellten, die von ihm schwanger wird.
Seine Odyssee wird noch weitergehen, noch einen Schlenker nach Italien machen, bis er ganz am Ende doch endlich wieder zu seinem Lebensthema – seine vom Staat gestohlenen Kinder und die Aktion «Kinder der Landstrasse» – zurückfindet.
Hübsch, divers, ausufernd
In der literarischen Vorlage mag diese Odyssee eines Mannes, der seiner Familie, seiner Kultur und Lebensgrundlage beraubt ist und deshalb durch die Welt irrt, plausibel und nachvollziehbar erzählt sein. Dem Film ist es aber nicht gelungen, Lubos inneren Antrieb zu vermitteln. Ausserdem spazieren zu viele Figuren ein und aus, die Geschichte macht zu viele Schlenker.
Das ist schade, denn auf vielen Ebenen ist der Film sehr sorgfältig inszeniert: Er ist fein ausgestattet und schön anzuschauen – und es wird im jeweiligen Landesteil die richtige Sprache gesprochen, schweizerdeutsch und italienisch, sogar jenisch.
Aber der Film überzeugt nicht restlos, ist ausufernd und mit drei Stunden deutlich zu lang. Da vermag es auch der wunderbare deutsche Schauspieler Franz Rogowski als Lubo (eloquent in jenisch, schweizerdeutsch und italienisch) leider nicht, diesen Film zusammenzuhalten und zu tragen.