Am 15. Mai wird über das revidierte Filmgesetz abgestimmt. Es sieht unter anderem vor, dass auch die ausländischen Streaming-Dienste vier Prozent ihres hier erzielten Umsatzes in Zukunft in der Schweiz reinvestieren müssen. Bisher haben diese Anbieter ihre Gewinne vollständig über die Grenze transferiert.
National- und Ständerat haben die Vorlage über fast zwei Jahre hinweg immer wieder hin- und hergeschoben, der Bundesrat hat Anpassungen vorgenommen, schliesslich kam die Vorlage zustande. Und dann hat ein von den Jungfreisinnigen initiiertes Komitee das Referendum ergriffen und erfolgreich Unterschriften gegen das auch als «Lex Netflix» bezeichnete Gesetz gesammelt.
Worüber wird diskutiert?
Die Gegner haben zwei Hauptkritikpunkte: Die Reinvestitionspflicht und die Verpflichtung, mindestens 30 Prozent europäische Produktionen im Streaming-Angebot zu haben.
Den Zwang, vier Prozent des Umsatzes in der Schweiz zu investieren, würden die Streaming-Anbieter einfach an die Konsumentinnen und Konsumenten weiterreichen, argumentieren die Gegner: Die Abos von Netflix und Co. würden teurer.
Die Quote für europäische Produktionen ist laut der Gegnerinnen und Gegner ein Eingriff in die Konsumentenfreiheit. Man wolle den Kundinnen und Kunden der Streamingdienste damit vorschreiben, was sie zu schauen hätten.
Wie positionieren sich die Medienhäuser?
Die traditionellen Medien funktionieren in diesem nun laufenden Abstimmungskampf für einmal wieder fast wie früher. Die NZZ und die AZ-Medien, die über ihr Joint Venture CH-Media vor allem im Hinblick auf ihre «3+»-Fernsehgruppe eigene Interessen tangiert sehen, sprechen sich publizistisch mehrheitlich gegen das Filmgesetz aus.
Die NZZ hat die Nein-Parole publiziert. Die Zeitungen der TX-Group (vormals Tamedia) dagegen sind eher neutral bis pro-Filmgesetz.
So richtig läuft der Abstimmungskampf der beiden Lager vor allem online und in den Sozialen Medien. Die Webseiten ja-zum-filmgesetz.ch und filmgesetznein.ch der jeweiligen Aktionskomitees sammeln Spenden und liefern die Basis-Argumente.
Twitter-Threads ohne Ende
Vor allem auf Twitter, jenem Social-Media-Kanal, den vor allem Journalistinnen, Medienleute und Politiker bevorzugt bedienen, läuft seit Wochen das Hickhack, mit Argumenten, aber auch mit Ressentiments und mit Behauptungen.
Wochenzeitungs-Journalist Florian Keller, der in der aktuellen Ausgabe der WOZ eine klare Pro-Haltung einnimmt, fragt auf Twitter ziemlich rhetorisch:
Dafür, dass Kellers Kritik berechtigt sein könnte, sprechen zahlreiche Tweets, welche die Reinvestitionspflicht für Streaming-Anbieter und staatliche Subventionen für ein und dasselbe halten, wie etwas dieser:
Filmemacherin Natascha Beller («Die fruchtbaren Jahre sind vorbei») argumentiert dagegen etwas basispsychologisch, worauf «El Duderiño» mit ebenso basispsychologischen Argumenten kontert:
Mit einer vergleichbaren Mischung aus Argumentation und Emotion meldet sich der Schaffhauser SVP-Kantonsrat Pennti Aellig – was wiederum Schauspieler und Comedian Mike Müller auf die Palme bringt:
Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen und des Referendumskomitees, operiert dagegen vor allem mit Zahlen und Fakten und mit unermüdlichen Auftritten, etwa in der SRF-Arena – worauf ein halbanonymer Berner Bürger mit einem Blick nach Hollywood antwortet:
Auch das bleibt nicht unwidersprochen. Mitte-Nationalrat Philipp Kutter meint:
Was dann wieder der Schweizer-Online-Filmvertrieb artfilm.ch kontert mit:
Dieser «Thread» ist exemplarisch und aufschlussreich. Weil sich in der Folge dutzende von Repliken folgen, mit Argumenten, Empörung, Fakten und Spott.
Wer sich unterhaltsam auf die Abstimmung vorbereiten will, kann das auf Twitter mit nach oben offenem Zeitaufwand rein passiv angehen. Wer allerdings seine Position hinsichtlich der Filmgesetzrevision schon gefunden hat, läuft hier Gefahr, die eigenen Nerven ziemlich zu strapazieren.