«Nein, David Lynch kann leider nicht an der Vernissage teilnehmen, er arbeitet in Los Angeles. Danke. Auf Wiederhören.»
Nicolas Rouiller ist kurzfristige, lästige Presseanfragen gewöhnt. Er leitet die Fondation Fellini und ist Kurator der Ausstellung «David Lynch. Dreams – A Tribute to Fellini». Diese findet aktuell am Standort der Fellini-Stiftung statt – im mittelalterlichen Maison du Diable in Sitten, im Kanton Wallis.
Das Telefon hat Rouiller jetzt beiseite gelegt. Nun ist er bereit für ein Gespräch über den kleinen Coup, der ihm da gelungen ist. Auf seine Anfage hin hat sich der Kultregisseur Lynch nämlich bereit erklärt, ein exklusives Dutzend Litografien anzufertigen, die dem italienischen Meister Fellini huldigen.
Melancholie und Horror in Schwarzweiss
Diese Bilder sind jetzt hier versammelt, in Sitten, und sie sind wunderschön geworden: Expressive, konstrastreiche Schwarzweiss-Impressionen im Breitleinwandformat, die sich mehrheitlich um die melancholische Schlussszene von Fellinis «8 ½» von 1963 drehen. Sie zeugen von der aufrichtigen Bewunderung des lebenden Künstlers für den verstorbenen.
David Lynch widmet sich seit über zehn Jahren der litografischen Form. Er arbeitet daran in einer Kunstwerkstatt in Paris. Zeitgleich zur Ausstellung in Sitten ist eine grössere Auswahl seines bildnerischen Schaffens im Musée Alexis Forel in der Altstadt von Morges zu sehen.
Dort prangen seine teils furchterregend düsteren Gemälde – die wunderbar diffuse Bezüge zu seinem filmischen Schaffen herstellen – in den edlen Sälen eines einstigen Patrizierhauses.
Ein Dialog zwischen Surrealisten
Die Einrichtung in Sitten ist zwar spärlicher, aber nicht minder aussagekräftig: Weil Rouiller das künstlerische Erbe von Fellini verwaltet, kann er viele Skizzen und Zeichnungen des italienischen Maestros in einen spannenden Dialog treten lassen mit den cineastischen Werken des US-Filmemachers.
So hat Fellini zum Beispiel einen Flugzeugabsturz gezeichnet, für einen nie gedrehten Film. Über dem brennenden Cockpit steht die handgeschriebene Anmerkung: «Silenzio». Der Aufprall soll nicht zu hören sein.
Man assoziiert. War da nicht ein berüchtigter «Club Silencio» am Ende von Davis Lynchs «Mulholland Drive»? Und so geht das weiter, die ganze Ausstellung hindurch.
Leise und laute Träume
Nicolas Rouiller erzählt gerne davon, was die beiden Filmschaffenden verbindet – und was nicht: «Das Traumhafte verbindet Fellini und Lynch, aber ihre Universen unterscheiden sich: Lynch bleibt geheimnisumwoben, bei Fellini hingegegen zieht mit dem Traum das Spektakel ins Leben ein.» So kann man das sehen: Fellini wäre eher ein Zirkusdirektor, Lynch dagegen der Betreiber eines verrauchten Varietés.
«Fellini hat immer und überall gezeichnet, oft sind es kleine Skizzen für seine späteren Filme», fährt Rouiller fort. «Wenn Lynch hingegen an einer Litografie arbeitet, dann ist er voll und ganz beim Bild: Es steht nicht die Absicht dahinter, es später zu verfilmen.»
Und, kommt er doch noch?
Das Gespräch ist belebt. Die Bilder inspirieren und laden zur Sinnsuche ein – aber wie immer bei Lynch liegen die gefundenen Antworten im Auge der Betrachtenden. Dass der Künstler selbst dazu erhellende Antworten geben würde, bleibt Illusion. Das war ja schon bei seinen Filmen nie der Fall.
Und trotzdem, Herr Rouiller: Kommt David Lynch, der sich am Vortag immerhin für eine Mini-Pressekonferenz per Skype nach Sitten schalten liess, nicht doch noch persönlich vorbei? Rouiller lächelt: «Im Oktober oder November schafft er es vielleicht.» Er schielt auf sein Telefon. «Aber das kommunizieren wir später.»