Almodóvars überkandidelte Tragikomödien zeigen Situationen, in denen sich Frauen wiederfinden. Denn er bietet seinen Heldinnen die gesamte Spannweite dessen, was Weiblichkeit sein kann. Seine Frauenfiguren, oft Mütter, Töchter, Freundinnen, sind unabhängig und widerstandsfähig. Meist stecken sie in einer Krise, sind am Rande eines Nervenzusammenbruchs.
Und doch kämpfen sie weiter. In sinnlichen Melodramen, die trotz schwerer Themen Lebensfreude versprühen: bunt, schrill und leidenschaftlich. Pedro Almodóvar gilt als der Mann mit dem weiblichen Blick – und das ist auch gut so. Zum 75. Geburtstag schauen wir uns drei seiner Meisterwerke genauer an.
1. «Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs»
«Mujeres al borde de un ataque de nervios» von 1988 war die Tragikomödie, die Pedro Almodóvar international bekannt machte und ihm eine Nomination für den Oscar und den Golden Globe einbrachte. Eine schräge, skurrile und doch zutiefst menschliche Farce.
Die Schauspielerin Pepa wird von ihrem Lover, dem chauvinistischen Ivan, verlassen. Sie versucht, über die schmerzhafte Trennung hinwegzukommen, wartet aber sehnsüchtig auf einen Anruf ihres Geliebten. Vergeblich. Sie versinkt in Verzweiflung.
Doch dann überschlagen sich die Ereignisse und katapultieren sie zurück in ein freudvolles Dasein. Ohne Mann, aber schwanger. Ein Kult-Filmerlebnis: surreal, überdreht und umwerfend komisch.
2. «Alles über meine Mutter»
2000 gewann der Spanier mit «Todo sobre mi madre» den Golden Globe und seinen ersten Oscar. Nach dem tragischen Unfalltod ihres Sohnes macht sich Manuela auf die Suche nach dessen Vater, der in Barcelona als trans Frau und Prostituierte Lola lebt.
Manuela taucht ein ins Milieu der Drogenabhängigen und Prostituierten: eine Welt voller Gewalt und Elend, aber auch voller Freundschaft und Solidarität. Almodóvar zeigt sich hier als Virtuose des Spiels mit den Geschlechtern.
Das Screwball-Drama, wie es der Regisseur selber nennt, hinterfragt Geschlechterrollen, bricht Tabus, und zelebriert Sex – zumindest in den Dialogen.
Im Vergleich zu seinen früheren Werken ist das Drama leiser, unspektakulärer inszeniert. Almodóvar idealisiert hier weibliche Solidarität. Und bleibt laut seiner Muse und spanischen Hauptdarstellerin Penélope Cruz doch nah an der Realität: «Ich sehe mich um und das Leben ist mit diesem Film vergleichbar.» Ein Filmschatz zum Weinen und Lachen.
3. «Das Zimmer nebenan»
Mit Almodóvars erstem englischsprachigen Spielfilm bricht eine nüchterne, kühlere und dunklere Ära an. «The Room Next Door» kommt für einmal ohne spanische Schauspielerinnen aus. Die Schottin Tilda Swinton und die Amerikanerin Julianne Moore spielen die ehemals besten Freundinnen Martha und Ingrid.
Als sie sich nach Jahren wiedersehen, hat Martha Krebs im Endstadium und möchte ihrem Leben autonom ein Ende setzen. Sie bittet ihre Freundin um den anspruchsvollen Gefallen, sie in den Tod zu begleiten – im Raum nebenan.
Die Geschichte erzählt aber nicht nur von Schmerz, sondern auch vom Leben, von Freundschaft, Empathie und Eigenständigkeit. Und von der Akzeptanz des Sterbens. Wichtig auch für den Meisterregisseur, der dieses Jahr 75 Jahre alt wird: «Ich denke, dass jeder Tag, der vorbeizieht, ein Tag weniger ist, den ich noch zu leben habe. Und ich würde so gerne denken, dass es ein Tag mehr ist, den ich erlebt habe.»
Dieses almodóvarsche Alterswerk ist nicht schreiend und schrill, dafür leise und feinfühlig. Und überrascht einmal mehr mit einer bewegenden Frauenfreundschaft.