Gleich bei Minute 11 der ersten Folge der «Game of Thrones»-Nachfolgeserie «House of the Dragon» passiert's: Rund 60 Sekunden lang sprechen zwei Hauptfiguren auf Valyrisch.
In «House of the Dragon» gibt es wiederholt solche Dialoge. Weil Valyrisch zum Fankult um die «Game of Thrones»-Welt gehört.
Viele Fans lernen die erfundene Sprache, zum Beispiel mit der App Duolingo. Nach fünf Minuten kann man den ersten Satz sagen. «Taoba kirine issa», zu Deutsch: «Der Junge ist glücklich.» Bis zu 1.2 Millionen Schülerinnen und Schüler sollen es zur Hochzeit von «Game of Thrones» 2019 gewesen sein.
Die Frage stellt sich: Wieso machen sich Hollywoodproduzenten die Mühe, für Filme oder Serien Sprachen zu entwickeln? Die Antwort: Meistens ist es ihr Ziel, einer erfundenen Kultur mehr Tiefe und Authentizität zu geben. «Game of Thrones» ist dafür beispielhaft.
Anfangs wurde eine Sprache für das Reitervolk der Dothraki gesucht. Tests, bei denen die Schauspielerinnen und Schauspieler imporvisierten, fanden die Macher schrecklich. Sie schrieben einen Wettbewerb zur Entwicklung einer Sprache aus. Der heute 41-jährige Linguist David J. Peterson gewann.
Der US-Amerikaner entwickelte Aussprache, Grammatik und lieferte 1700 Wörter. Die Ausgangslage war schwierig. In der Romanvorlagen gab es bereits Wörter, die nicht ignoriert werden durften. Und natürlich musste es aussprechbar für die Schauspielenden sein, denen Peterson den Text in Form von MP3-Aufnahmen zukommen liess.
Die Sprache der Dothraki wurde ein Hit bei den «Game of Thrones»-Fans. David J. Peterson veröffentlichte das Lehrbuch «Living Language Dothraki» mit über 500 Wörter und Phrasen, Vokabeln, Grammatik, Aussprachehilfe und kulturellen Informationen.
Mittlerweile ist David J. Peterson einer der erfolgreichsten Sprachschöpfer Hollywoods. Er schuf für «Game of Thrones» ausserdem Valyrisch, arbeitete an Serien wie «The Witcher» und war bei Blockbustern wie «Thor: The Dark World» oder «Dune» dabei.
Theaterstück auf Klingonisch
Erfundene Sprachen sind Kult. 2017 gab es in der ersten Staffel der Serie «Star Trek: Discovery» minutenlange Dialoge auf Klingonisch, die vielleicht berühmtestes erfundene Sprache Hollywoods, von der es eine Grammatik zu kaufen und natürlich auch jede Menge Online-Tutorials gibt.
«A Klingon Christmas Carol» war 2007 das erste Theaterstück, das vollständig auf Klingonisch aufgeführt wurde. Werke der Weltliteratur wie «Hamlet» wurden in die Star-Trek-Sprache übersetzt.
Vermeidung von Shitstorms
Dass erfundene Sprachen so beliebt sind, hat etwas mit der veränderten Fankultur im letzten Jahrzehnt zu tun. Auf Social Media sind die Fans in Gruppen organisiert. Lieblingsserien werden nicht nur leidenschaftlich kommentiert, sondern auch nach Fehlern untersucht. Ungereimtheiten in der Story oder eben der Sprache lösen heftige Diskussionen aus. Die können zu einem Shitstorm führen, den kein Filmstudio erleben will.
Ausserdem ist das Bedürfnis der Fans, in die Fantasiewelten einzutauchen, grösser geworden. Cosplay, also sich kleiden und verhalten wie die Lieblingsfigur in einem Comic, Film oder Serie, ist mittlerweile ein weltweites Phänomen.
Spätestens seit «Fifty Shades of Grey» weiss man, wie gross Fan-Fiction ist, in denen die Anhänger eines Buches oder Serie die Geschichten weiterschreiben und natürlich auch die Sprachen benutzen.
Wer aber glaubt, dass erfundene Sprachen einfach nur abgedrehter Spass sind, liegt falsch, sagt Spracherfinder David J. Peterson. «Wer eine fiktive Sprache erlernt, verbessert generell seine Fähigkeit, eine Fremdsprache zu lernen», meinte er gegenüber CNN. Erfundene Sprachen sind also nicht nur Entertainment.
In diesem Sinne: «Kirimvose» («Danke» auf Valyrisch) fürs Lesen des Artikels.