Sie können ruppig sein, die Dompteusen im Film. Die ältere, russische Bären-Dompteuse Nadezhda Takshantova zum Beispiel. Ihr Ton ist rau im Umgang mit ihrem Bären. Auch mit Tochter Aliya, die in ihre Fussstapfen tritt, scheint sie nicht wirklich zufrieden zu sein. Doch wenn der kleine Bär lernt Purzelbäume zu schlagen, ist man schnell beim «Jöh». Im vollen Bewusstsein darüber, dass diese Szene Tierschützer garantiert empören wird.
Kein politisch korrekter Film
Anka Schmid wollte keinen politisch korrekten Film machen. «Es gibt ein neues Verständnis von Tierhaltung», sagt die Regisseurin. Sie glaubt, dass die Reaktionen übertrieben sind. Wenn ein Tier in einen Zirkus hineingeboren wird, sein ganzes Leben an nichts anderes gewöhnt ist, als unterwegs zu sein und es gut gefüttert und gepflegt wird – warum sollte das unzumutbar sein?
Trotzdem ist sich die Regisseurin bewusst, dass Raubtiernummern in naher Zukunft nicht mehr möglich sein werden. Vielleicht wollte sie deshalb vorher noch ihren Kindheitstraum verwirklichen.
Dompteusenleben fordert Verzicht
«Salto Mortale», die Fernsehserie aus den 1960er-Jahren, die in einem Zirkus spielt, inspirierte die Dokumentarfilmerin. Vor allem die Rolle der Tiger-Lilly. «Irgendwie war mir klar, ich will mal in die Manege und so wunderschöne Tiger haben», erzählt sie. Statt dessen hat sie einen Film gemacht. Darin zeigt sie nicht nur die schillernden Seiten dieses Berufs.
Eine der Dompteusen, die ehemalige DDR-Leistungssportlerin Carmen Zander, hat sich nach der Sportkarriere selbständig gemacht. Sie selbst stammt nicht aus einer Zirkusfamilie und muss sich jede Saison einen neuen Arbeitsplatz zu suchen – das ist nicht immer ganz einfach. Beziehungen hat sie selten, sie ist ja immer unterwegs. Da gibt es viel Einsamkeit.
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Persönliche Einblicke
Anders bei der Französin Namayca Bauer. Sie ist in das Familienunternehmen hineingeboren. Doch ihr Freund, der nicht vom Zirkus kommt, aber bereit ist, dieses Leben mit ihr zu führen, darf noch nicht mit ihr zusammen leben. Die Eltern sind streng. Momente die Anka Schmid im Film fast beiläufig erzählt.
Jeweils mehrere Wochen war die Regisseurin mit ihren Protagonistinnen und den Tieren unterwegs. Die Vertrautheit, die dabei entsteht zeichnet den Film aus.
Löwenkuss in Jeans und Glitzerkleid
Die ägyptische Dompteuse Anosa Kouta, ist jung, wunderschön und tritt im berühmten Zirkus Monte Carlo auf. Ihre Grossmutter war die erste weibliche Dompteuse. Sie erfand den berühmten Löwenkuss, mit dem auch ihre Enkelin heute noch für atemloses Staunen sorgt. Natürlich gibt es auch solche Szenen im Film: Die Spannung während eines Auftritts, die Nervosität der Frauen und die Erleichterung, wenn alles gut ging.
Berührend ist der Besuch eines arabischen Fotografen, der Anosa mit seiner Tochter einen Besuch abstattet. Vater und Tochter im traditionellen Gewand. Das Mädchen mit Kopftuch sitzt der schönen jungen Frau gegenüber, sie lässig in Jeans. Die Tochter will ins Showbusiness und Anosa gibt ihr Tipps, wie sie sich behaupten muss. Forsch sein. Selbstbewusst. Eigenschaften, die man nicht unbedingt bei arabischen Frauen erwartet.
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«Salto Mortale», nur in echt
Genau das aber ist es, was den Film von Anka Schmid auszeichnet. Die Regisseurin erzählt mit grosser Liebe zum Genre, aber auch zu ihren Protagonistinnen. Sie streift auch die Nebengeschichten. Damit kommen die Zuschauer den Dompteurinnen nah. Man erfährt nicht nur von einem spannenden Beruf, sondern vom Leben hinter den Kulissen. Ein bisschen wie die TV-Serie «Salto Mortale», nur in echt.