Vor sage und schreibe 30 Jahren landeten das Erdmännchen Timon und das Warzenschwein Pumbaa mit «Hakuna Matata» den Gute-Laune-Hit schlechthin. Dank Ohrwürmern wie diesem eroberte der nach traditionellem Muster gezeichnete Trickfilm «The Lion King» 1994 das Kinopublikum. Fast eine Milliarde Dollar spielte die herzerwärmende Fabel damals ein – was im Bereich der Animation einen Rekord darstellte.
2019 lancierte Disney eine fotorealistische Version derselben Geschichte – mit noch grösserem Erfolg. Das Remake spielte über 1.6 Milliarden Dollar (knapp 1.5 Milliarden Franken) ein. Mit keinem anderen Animationsfilm wurde je so viel Kohle gemacht. Und ja: Es handelte sich – trotz Live-Action-Look – um einen waschechten Trickfilm. Anders als in «The Jungle Book» (2016) oder «The Little Mermaid» (2023) ist in «The Lion King» (2019) kein menschliches Schauspiel zu bewundern.
Vorgeschichte zu «The Lion King»
Dasselbe gilt für den Nachfolger «Mufasa»: Der zu 100 Prozent im Computer entstandene Bilderbogen erzählt die Vorgeschichte des königlichen Löwen, dem Sohn Simba in «The Lion King» nacheifern wird. Mufasa wurde einst, wie wir gleich zu Beginn erfahren, «ohne einen Tropfen blauen Blutes in seinen Adern» geboren.
Als Thronfolger ist darum nicht der vielfältig talentierte Titelheld, sondern dessen brüderlicher Freund Taka vorgesehen. Doch dieser wird auf der gemeinsam mit Mufasa in Angriff genommenen Heldenreise letztlich über eigene charakterliche Schwächen stolpern. So schliesst sich der erzählerische Kreis nach zwei Stunden wenig überraschend mit dem Beginn von Mufasas Regentschaft und der quasi-religiösen Preisung des «Circle of Life».
Weg vom reinen Naturalismus
Das klingt nicht nur vertraut, das ist es auch: Mit kaltem Kalkül hat Disney viele Motive aufgegriffen, die das nostalgiefreudige Publikum schon aus «The Lion King» kennt. Stärker als auf der Inhaltsebene grenzt sich Barry Jenkins Animationsdebüt visuell vom letzten Film ab. Anders als beim fotorealistischen Kassenschlager vor fünf Jahren, steht die naturalistische Darstellungsweise nun nicht mehr im Vordergrund.
Statt noch realistischer aussehen zu wollen als der Vorgänger, macht «Mufasa» einen Schritt in die andere Richtung – hin zu mehr Mimik, Gefühl und Ausdruckskraft. Die Figuren wirken dadurch menschlicher und expressiver als im Blockbuster von 2019, der in manchen Szenen kaum von einer Tierdokumentation zu unterscheiden war. Zumindest, wenn in dessen sorgfältig rekonstruierter Fauna nicht gerade geredet oder gesungen wurde.
Das Original bleibt unerreicht
Apropos Gesang: Musikalisch kann «Mufasa» nicht ansatzweise an vergangene Höhenflüge anknüpfen. Die neuen Kompositionen von Lin-Manuel Miranda gehen leider nicht besonders gut ins Ohr. Kein Wunder also, erreichen diese nie die emotionalen Sphären des Oscar-gekrönten Original-Soundtracks.
So erstaunt es nicht, dass das vom Plot zum Zuhören verdammte Erdmännchen Timon am liebsten den alten Hit «Hakuna Matata» zum Besten geben würde. Woran ihn sein alter Freund, das Warzenschwein Pumbaa, im letzten Moment hindert – mit dem berechtigten Hinweis: «Wir brauchen was Neues!»
Was danach folgt, kommt aber – stellvertretend für den ganzen Film – wie ein schlechter Scherz daher. Dieselbe, altbekannte Melodie mit einem nur leicht retuschierten Text: «Hakuna Mufasa – diesen Namen sag ich gern!»
Kinostart: 19.12.2024