Michael Mann ist der Mann für subtile Spannung. Mit «Heat» hat er erstmals die beiden Hollywood-Ikonen Robert De Niro und Al Pacino gemeinsam auf die Leinwand gebracht. Im Politthriller «The Insider» bewies er sein Talent für eine einzigartige Bildsprache. Jetzt kommt «Ferrari»: Ein etwas lahmer Film.
Versteckte Zweitfamilie
Der Film spielt im Sommer 1957, ein Schicksalsjahr für Enzo Ferrari. Der italienische Fabrikant steht vor der Pleite, seine Ehe ist längst gecrasht. Er und Gattin Laura müssen den Tod ihres einzigen Sohnes Dino verkraften, was Enzo Ferrari deutlich besser gelingt als seiner Frau.
Er hat vor Längerem heimlich eine Zweitfamilie gegründet, mit seiner Geliebten und dem gemeinsamen Sohn Piero, die er beide in erreichbarer Distanz zum Ehe-Wohnsitz versteckt hält.
Regisseur Michael Mann konzentriert sich primär auf dieses Dreiecksverhältnis. Ehefrau Laura (in ihrer Verbitterung beeindruckend dargestellt von Penélope Cruz) hält Enzo mittels finanzieller Geiselhaft in der Ehe gefangen, während dieser die rasant aufholenden Konkurrenten Maserati und Jaguar auf Distanz zu halten versucht. Trost findet Ferrari im Mausoleum seines verstorbenen Sohnes, wo er sich ein paar Tränen gönnt.
Gefühle hinter Panzerglas
Geldsorgen, Ehesorgen, Trauer und Rennpech: Enzo Ferrari steht dermassen unter Druck, dass er in Regisseur Manns Interpretation zur emotionalen Salzsäule erstarrt.
Es gehört wohl zu den schwierigeren schauspielerischen Aufgaben, einen äusserlich Gefühlslosen darzustellen, der innerlich im Fegefeuer schmort. Adam Driver gelingt diese Herkulesaufgabe leider nicht. Er wirkt oberflächlich, selbst als ihn seine Frau mit dem Revolver bedroht.
Die legendäre Sonnenbrille, die Enzo Ferrari stets trug, wirkt bei Driver wie ein rezeptives Panzerglas. So plätschert «Ferrari» anderthalb Stunden vor sich hin, ohne einen erkennbaren Spannungsbogen hin zum entscheidenden Ereignis des Jahres 1957.
Ferraristi aber wissen, dass sich damals der tragischste Rennunfall in der Geschichte der Firma ereignet hatte: an der «Mille Miglia», dem 1000 Meilen langen Wertungslauf der Sportwagen-Weltmeisterschaften.
Bedingungslos auf Sieg getrimmt
Ab hier ist Michael Manns Gespür für visuelle Inszenierungen erkennbar. Formschöne Oldtimer inmitten Italiens pittoresker Landschaft, während die euphorisierten Zuschauermassen, von der Rennstrecke nur durch ein paar Heuballen getrennt, den rasenden Helden in ihren röhrenden Kisten zujubeln.
Von Enzo Ferrari bedingungslos auf Sieg getrimmt, verweigert Ferrari-Fahrer Alfonso de Portago an einem Tank-Stopp den zeitraubenden Reifenwechsel. Bei der Einfahrt ins Dörfchen Guidizzolo platzt ein Reifen, der Ferrari 335 S überschlägt sich, rast in die Zuschauermenge und tötet elf Menschen, darunter fünf Kinder. De Portago und sein Beifahrer sind sofort tot.
Die Schlachtfeld-ähnlichen Szenen am Unfallort stellt man unnötigerweise allzu explizit dar – ein inszenatorischer Unglücksfall.
Und Enzo Ferrari? Kann er diese Tragödie überwinden? Die Antwort bleibt der Film schuldig. Sie liegt wohl irgendwo hinter den tiefschwarzen Gläsern von Ferraris Sonnenbrille verborgen.
Kinostart am 26.12.2023.