Der bunkerähnliche Schlafsaal mit Hochbetten, Menschen in grünen Trainingsanzügen, Wächter in pinken Overalls und schwarzen Masken mit weissem Dreieck.
Alles in «Squid Game: The Challenge» sieht aus wie in der Serie, und wie dort gibt es 456 Teilnehmende.
Stopp, oder du bist raus
Das erste Spiel der Realityshow kennt der Serie-Fan: «Rotes Licht, grünes Licht». Solange die Roboter-Puppe von den Teilnehmenden abgewandt singt, gilt es eine Halle zu überqueren. Stoppt der Gesang und dreht sich der Kopf, dürfen sie sich nicht mehr bewegen. Wer es tut, wird eliminiert. In der Serie bedeutet das, dass sie erschossen werden.
In der Realityshow stirbt natürlich niemand. Aber es gibt ein Schussgeräusch, und der Farbbeutel mit schwarzer Flüssigkeit, den alle Teilnehmenden tragen, explodiert. Die Betroffenen lassen sich zu Boden fallen und sind ausgeschieden.
Gewinnspiel ohne Gesellschaftskritik
In der Serie nahmen verarmte und verzweifelte Menschen aller Altersklassen an einer Show auf Leben und Tod teil, die von Superreichen geschaut wurde. Dem letzten Überlebenden winkten umgerechnet 3 Millionen Franken.
Die Mischung aus Brutalität und Kapitalismuskritik machte die Serie zum Hit. Bei der Realityshow fällt beides weg. Es geht, wie immer bei diesem Genre, um die Teilnehmenden, die Ausscheidungsspiele und den Gewinn.
Die Summe, die erspielt werden kann, ist beachtlich: 4,56 Millionen US-Dollar. Für jeden Ausgeschiedenen gibt es 10'000 in den Jackpot. Wegen des Geldes sind die Teilnehmenden extrem engagiert.
Seit «Big Brother» vor 23 Jahren auf Sendung ging, weiss man: Realityshows leben davon, dass gegensätzlich gecastete Teilnehmende aufeinandertreffen, die die Zuschauer entweder lieben oder hassen. Das erreicht «Squid Game: The Challenge» gekonnt.
Einzelne Personen werden dem Zuschauer durch Interviewausschnitte näher gebracht, damit er mitfiebert: Der Mittzwanziger, der gemeinsam mit seiner Mutter antritt, die 23-Jährige, die nie einen Freund hatte, der ehemalige Christ, der sich bei Aufregung übergibt, die Lehrerin, die auf ihren Intellekt und ihr Aussehen vertraut, der 69-Jährige, der es noch mal wissen will.
Eine Frage des Charakters
Realityshows sind spannend, wenn die Teilnehmenden die Kameras vergessen und ihr wahres Gesicht zeigen. Das forciert «Squid Game: The Challenge», indem die Menschen vor moralische Dilemmata gestellt werden.
So wird ein Telefon im Schlafsaal aufgestellt. Jeder kann abnehmen. Wer es wagt, muss den Anweisungen folgen. In einem Fall wird dem Teilnehmenden zwei Minuten Zeit gegeben, jemanden zu überzeugen, den Hörer in die Hand zu nehmen – im Wissen, dass diese Person eliminiert wird. Schafft es der Teilnehmende nicht, ist er selbst draussen.
Ziel der Show ist es natürlich, mit dem Namen der Serie Geld zu machen. Abgesehen davon ist es eines der besten Realityformate seit langem. Aufwendig produziert, spannend, ein Spektakel mit englischsprechenden Teilnehmenden.
Für Fans der Vorlage gibt es ein Wiedersehen mit den legendären Kinderspielen wie Dalgona, dem Herausbrechen einer vorgestanzten Form aus einem Keks.
In der Serie waren die harmlosen Spiele packend, weil es um Leben und Tod ging. In der Realityshow, weil es darum geht, wie Menschen sich verhalten: ehrlich oder hinterlistig, solidarisch oder egoistisch.
Im Stream bei Netflix.