Die Los Angeles Times beschrieb Sandra Hüller diesen Frühling als die «Queen of Cannes». Dort feierte «The Zone Of Interest» Premiere, und «Anatomie d’une chute» gewann den Hauptpreis. Hüller spielt in beiden Filmen die Hauptrolle.
Für beide Rollen wurde sie für den Europäischen Filmpreis nominiert – das gab es in der Geschichte des Preises noch nie. Mit nach Hause nahm sie ihn für «Anatomie d’une chute», für den sie nun auch eine Golden-Globes-Nominierung hat.
Eine Rolle extra für sie geschrieben
In «Anatomie d’une chute» spielt Sandra Hüller Sandra Voyter. Eine erfolgreiche Autorin, die des Mordes an ihrem Mann beschuldigt wird. Eine Rolle, die eigens für Hüller geschrieben wurde.
Sandra Voyter ist eine autarke, selbstbewusste Frau, die keine Geschlechter-Klischees erfüllt. Das hat Hüller am Drehbuch letzten Endes überzeugt, sagt sie im Interview.
Eine Figur, die herausfordert
Ob man Sandra Voyter in den zahlreichen Gerichtsszenen in «Anatomie d’une chute» glaubt oder nicht, hängt davon ab, wer den Film schaut. Auf Männer würde die Figur kalt, undurchsichtig und lieblos wirken, sagt Sandra Hüller. Frauen solidarisieren sich hingegen mit Sandra Voyter.
«Sympathisch machen wollten wir sie nicht,» erklärt Hüller. Es sei eine Figur, die bewusst herausfordern soll. Denn sie bedient gewisse Emotionen einfach nicht. Sie sei «ein schlechtes Opfer».
Hüller kann auch lustig
Das Drama «Anatomie d’une chute» war nicht die erste erfolgreiche Zusammenarbeit mit der französischen Regisseurin Justine Triet. 2019 spielte Hüller in «Sybil» eine überambitionierte Regisseurin, die von der Affäre ihres Schauspieler-Ehemannes mit einer Kollegin weiss.
Sie liefert in dieser Komödie eine der lustigsten Szenen des europäischen Kinos der letzten Jahre: Auf einem fiktiven Dreh bei einer Kuss-Szene führt sie zwischen ihrem Mann und seiner Liebhaberin Regie – und erleidet dabei einen Nervenzusammenbruch.
Das erste Mal gewann Sandra Hüller bereits 2016 den Europäischen Filmpreis: für ihre Rolle der Workaholic-Geschäftsfrau in «Toni Erdmann», die mit den Annäherungsversuchen ihres Vaters überfordert ist.
Dass sie auch Comedy kann, bewies sie letztes Jahr auch in «Sisi und ich». Da spielt sie eine Hofdame, die unbedingt der exzentrischen Kaiserin gefallen will und sich den absurden Sitten des Hofes beugen muss.
Hüllers komödiantische Rollen haben Gemeinsamkeiten: Es sind ehrgeizige Frauen mit einer starken inneren Spannung. Frauen, die nach aussen ein kontrolliertes Bild abgeben wollen – und herrlich daran scheitern.
Ein progressiver Erfolg
Sandra Hüller scheut sich also auch bei Komödien nicht davor, komplizierte Frauen zu spielen – Frauen, die an unseren Sehgewohnheiten rütteln und die das Publikum nicht verführen wollen. Dass Sandra Hüller für ihre Arbeit so gewürdigt wird, beweist, dass wir solche Frauen auf der Leinwand sehen wollen.
Eine Golden-Globe-Nominierung für eine Rolle, die vor allem Männer irritiert, ist nicht nur cool und feministisch. Es zeigt auch: Das Kino verändert sich.
Ob Hüller nun nach der «Queen of Cannes» auch noch die «Queen of Hollywood» wird, wissen wir in der Nacht vom 7. auf den 8. Januar. Dann findet die Verleihung der Golden Globe Awards statt.