«Russen im Krieg», das ist grundsätzlich grosser Kinostoff. Stellt sich nur die Frage, wie es Regisseurin Anastasia Trofimova gelingen konnte, under cover an der Front zu drehen.
Für den Film «Russians At War» hat sie über sieben Monate auf russisch besetztem Territorium in der Ukraine ein Bataillon mit der Kamera begleitet. Im Film erklärt sie: «Ich fahre auf eigenes Risiko ohne Erlaubnis des Verteidigungsministeriums. Ein bisschen in geheimer Mission.»
Wenig glaubwürdig, urteilt der im Exil lebende Moskauer Dokumentarfilmer Vitalij Manskij. Einer seiner Mitarbeiter sei bei einem Dreh in Moskau sofort von der Polizei festgesetzt worden. «Hier indes fährt jemand vier Mal ins Kriegsgebiet, hält sich dort sieben Monate auf – also wen will man denn hier zum Idioten machen?»
Mitarbeit beim Propaganda-Sender
Gut möglich, dass beim Dreh an der Front ein «Russia Today»-Ausweis geholfen hat. Trofimova hat mehrere Filme für den russischen Staatspropaganda-Sender gedreht. Auch deshalb begegnen viele Exilrussen und Ukrainer «Russians At War» mit Skepsis.
In Moskau konnte Anastasia Trofimova ebenfalls ungestört drehen. Hier lernt sie, so zeigt der Film, Ilja kennen, einen Ukrainer aus dem Donbas, den sie zu ihrem Haupt-Protagonisten macht. Unkommentiert erzählt Ilja, dass er alles verloren habe, als der – wie er es nennt – «Bürgerkrieg» im Donbas angefangen habe. Das ist die russische Version des Krieges in der Ostukraine, die die aktive Rolle russischer Spezialeinheiten negiert.
Wer sind die «Russen im Krieg»?
Die Soldaten im Film sind fein ausgesiebt: Es gibt keine Mobilisierten, die gegen ihren Willen im Krieg sind, keine Wagner-Kämpfer, keine mobilisierten Straftäter. Von Kriegsverbrechen keine Spur. Es gibt auch keine Fanatiker. Nur Soldaten, die für Geld kämpfen oder die der Patriotismus an die Front verschlagen hat.
«Dieser Film ist nicht gegen den Krieg, er ist vielmehr ein Teil des Krieges und reiht sich auf einer bestimmten Seite ein», urteilt der im Exil lebende Filmkritiker Anton Dolin aus Moskau. «Es wäre interessant zu erfahren, wie die Regisseurin die Erlaubnis zu drehen bekommen hat und ob die Protagonisten wirklich Soldaten sind und keine Schauspieler.»
Armee mit menschlichem Antlitz
An der Front fliessen viele Tränen um Gefallene. Es gibt Witze, Schwangerschaften, Hochzeiten, Tierliebe und Unzufriedenheit über Vorgesetzte. Warum sie kämpfen, wissen die meisten nicht zu sagen. Nur, dass die Soldaten töten, zeigt der Film nicht.
Alles irgendwie Typen, die voll in Ordnung sind, arme Teufel gar. Der Krieg – ein einziges Schlamassel. Der Film behauptet, «dass da ganz normale, einfache Menschen kämpfen wie Du und Ich», sagt Vitalij Manskij. «Menschen mit all ihren Schwächen, mit all ihren Verletzungen und Enttäuschungen. Man kann ihnen nur Verständnis und Empathie entgegenbringen.»
Einer der Soldaten beklagt, dass die «brüderliche Gemeinschaft» mit den Ukrainern auseinandergebrochen sei. Die Nationalisten aus dem Westen hätten das gemeinsame Erbe zerstört und sowjetische Heldendenkmäler abmontiert. Auch dieses Kreml-Narrativ bleibt unkommentiert, die Sentenz ist vielmehr mit trauriger Musik unterlegt. Propaganda, die auf die Subversion der Empathie zielt.