Es ist ein bisschen so, als ob die Macher uns den Abschied leicht machen wollen. Vieles, was wir in den letzten acht Jahren an «Game of Thrones» so geschätzt haben, wird im Moment arg vernachlässigt – und lässt uns mit einem schalen Nachgeschmack zurück.
Aber von Anfang. Wir müssen über Sex reden! Trotzdem sollten wir uns vorher kurz mit der Wer-darf-denn-nun-auf-dem-Eisernen-Thron-sitzen-der Neffe-oder-die-Tante-Frage beschäftigen. Denn darum geht es ja nun – ausser Cersei gewinnt und tötet alle.
«Dann wären unsere Probleme gelöst», formuliert es Tyrion. Aber noch ist es nicht soweit.
Jon ahnt wieder mal nicht viel
Jon will – wie immer – das Richtige tun, und seinen Schwestern (beziehungsweise Cousinen) die Wahrheit über seine Herkunft sagen. Daenerys, die ihren Herrschaftsanspruch schwinden sieht, will ihn davon abhalten. Klappt nicht, Jon plaudert das Staatsgeheimnis aus und ist sich dabei völlig im Unklaren, was er angerichtet hat.
Natürlich rennt die schlaue Sansa mit dieser Info sofort zu Tyrion und intrigiert hinter Jons Rücken gegen dessen geliebte Tante. Wenn Jon am Schluss König wird, ist er sozusagen selbst Schuld.
Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass Daenerys Targaryen vielleicht nicht ganz so irre wie ihr legendärer Vater ist, aber dafür mit dem erfolgreichen Rebellen und König Robert Baratheon etwas gemeinsam hat: Beide sind effiziente Eroberer, aber schlechte Herrscher.
Auch Varys erkennt das und beweist mal wieder Flexibilität bei der Wahl seiner Vorgesetzten. Er will Tyrion bei seiner privaten Rebellion gegen Daenerys dabei haben. Noch weigert sich Tyrion, seine Königin zu verraten. «Ich glaube an sie», sagt er. Und wir fragen uns: Ja, aber wie lang noch, du schlauer, betrunkener Zwerg, der doch immer alles weiss?
So, jetzt aber, à propos betrunkener Zwerg: Was für eine fieser Move von Tyrion, auf Briennes Jungfräulichkeit hinzuweisen! Gut pariert von Brienne und gekonnt genutzt von Jaime! Nach Arya und Gendry gebührte den beiden die zweite überraschende Sex-Szene in dieser Staffel.
Wobei, auf ein Date zwischen Jaime und Brienne wartete man ja seit dem Dampfbad der beiden in Staffel 5. Dass es dann wirklich passiert und Tormund fassungslos den beiden hinterherschauen muss – unbezahlbar!
Doch auch hier: Hollywood lässt grüssen. Brienne, bisher so hart und burschikos, hat sich endlich einem Mann geöffnet! Sie ist also doch eine Frau, mit Gefühlen und so! Deshalb muss natürlich in der nächsten Szene ihr Herz gebrochen werden. Jamie zieht Richtung Süden, um Cersei zu töten. (Auch wenn er das etwas verschwurbelt ausdrückt – offenbar, damit sie ihm nicht hinterher reitet.) Brienne bleibt weinend zurück. Really?!
Einige Fragezeichen
Auch die Szene mit Bron lässt einen mit einem Fragezeichen zurück. Tolle Dialoge, aber weit hergeholt (Wer hat Bron einfach reingelassen? Bewaffnet?) und überflüssig: Bron verkauft sich (wie gehabt) an den meistbietenden Lannister – wieso wird dieser Erzählstrang weitergeführt?
Neben der Sexszene kam auch Rhaegals Tod zugegebenermassen unverhofft – und mit einer gewissen Tragik: Knapp überlebte er die letzte Schlacht, um dann von Westeros’ Playboy mit dem irren Blick erschossen zu werden.
Aber auch der Tod des Drachen irritiert mehr, als dass es einen emotional mitnimmt: Wie naiv kann die Heeresführung von Daeny und ihren Generälen denn noch sein? Niemand hatte die riesige Flotte von Euron bemerkt? Und das bereits zum zweiten Mal?! (Wir erinnern uns an eine ähnliche Szene in der letzten Staffel.)
Auch allein wie Rhaegal gestorben ist – mit drei perfekt gesetzten Ballista-Schüssen – unglaubwürdig. Vor allem, wenn dann in der Folgeszene Drogon rund 30 solchen Pfeilen mit Leichtigkeit ausweicht.
Und auch kein Plot-Twist: Missandei wird als einzige gefangen genommen. Ein weiterer Charakter aus der zweiten Reihe, auf den man ohne Verluste verzichten kann. Ihr trotziger Tod («Dracarys!») war unmotiviert und unnötig. Er diente dramaturgisch als letzter Beweis, dass Cersei in Sachen «Mad Queen» Daeny nichts nachsteht, und machte endgültig klar, dass die Drachenkönigin nun ziemlich allein ist.
Missandei war Daenerys letzte Verbündete aus den alten (= Pre-Westeros) Zeiten. Ein herber Verlust für sie. Dass Varys sie offenbar auch hintergehen wird, weiss sie ja noch gar nicht.
Ach ja, als Tyrion schutzlos vor Cersei stand und wieder eine seiner «Du liebst doch deine Kinder, gib den Thron endlich frei»-Reden hielt, dachte ich kurz, Cersei lässt ihren Bruder von den Bogenschützen erschiessen. Das wäre mal ein unerwarteter Tod gewesen.
Diese Unvorhersehbarkeit, dieses Brechen mit sämtlichen Genre-Klischees, das war immer schon der Reiz an «Game of Thrones». Aber es war wieder mit Missandei ein B-Charakter, der gehen musste. Oder müsste man vielleicht schon sagen: der gehen durfte?
Kein Gender-Utopia
Die Episode hatte durchaus brillante Stellen. Die Dialoge zwischen Varys und Tyrion sind immer ein Highlight («Cocks are important, I’m afraid», sagt der Eunuche. Auch Westeros ist kein Gender-Utopia). Dass Arya den Heiratsantrag von Gendry ablehnt und dafür mit «The Hound» als freie Radikale durch Westeros zieht, lässt mein Herz springen.
Diese Folge hat durchaus unterhalten – und die Rufe nach einem Spin-Off mit Tormund und Ghost kann ich unterstützen – aber so richtig mitgenommen hat sie mich nicht. Ich wage aber zu hoffen. Zwei Folgen haben wir noch übrig.