SRF: Welche Lektion erteilt Ihnen das Leben gerade?
Michael Koch: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Meine Kinder sind ein unerbittlicher Spiegel. Tut gut, aber kann auch ganz schön anstrengend sein.
Wer oder was bewog Sie dazu, «Marija» zu drehen?
2010 war ich länger in der Ukraine. Über eine Freundin in Kiew hörte ich dann von einer jungen Frau, die aus Odessa nach Deutschland kam. Sie arbeitete in Dortmund als Putzfrau, wollte aber sobald wie möglich ein eigenes Nagelstudio eröffnen.
Die Entschlossenheit, mit der die junge Frau ihr eigenes Schicksal in die Hand nahm und ihr Stolz, mit dem sie auf Rückschläge reagierte, beeindruckten mich sehr.
Hat sie den Film gesehen?
Sie hat den Film in der Ukraine auf dem Filmfestival in Kiew gesehen. Sie mochten ihn und meinte, dass sie viele Sachen wiedererkannt hat. Das hat mich gefreut. Dennoch blieb ihre Reaktion verhalten.
Irgendwann hat sie dann angefangen das Festival zu diffamieren und hat sich sehr darüber aufgeregt, dass der Film keinen Preis bekommen hat. Das fand ich dann fast schöner als irgendein Preis.
Ich will Dinge ausprobieren. Ich glaube, nur dann entsteht was wirklich Interessantes, Eigenes.
Was von Ihnen selber findet man im Film?
Vielleicht eine gewisse Beharrlichkeit mit der auch Marija vorgeht. Wenn ich mich an einer Sache festgebissen habe, fällt es mir schwer loszulassen, selbst wenn die Sache aussichtslos erscheint.
Ist während der Dreharbeiten etwas passiert, mit dem Sie nicht gerechnet hätten?
Viele der Darsteller in «Marija» waren Laien. Dies führte dazu, dass die Texte oft anders gesprochen oder manchmal sogar vergessen wurden. Es gab Szenen, in denen ich hinter der Tür stand und einem Darsteller jeden Satz flüsterte.
Das waren Momente, in denen das Team gefordert war. Wir mussten wach sein, auf Überraschungen reagieren. Erstmal macht einen das nervös, dann merkt man aber, dass diese Arbeitsweise interessant ist, weil die Szenen plötzlich lebendig werden.
Was wünschen Sie sich für die Schweizer Filmlandschaft?
Im Schweizer Spielfilm wünsche ich mir mehr Mut zur Konsequenz. Seitens der Förderung, aber auch seitens der Filmemacher und Filmemacherinnen. Ich sehe, da tut sich was, ich glaube aber, wir können noch beherzter ran.
Was werden Sie bei Ihrem nächsten Film sicherlich anders machen?
Ich will mehr Zeit haben beim Dreh. Die Möglichkeit haben, während des Drehs Dinge auszuprobieren, zu suchen und zu finden. Ich glaube, nur dann entsteht was wirklich Interessantes, Eigenes. Wenn aber einfach das Drehbuch auf Grund der tickenden Uhr abgearbeitet werden muss, schränkt man sich selber ein.
Im Schweizer Spielfilm wünsche ich mir mehr Mut zur Konsequenz.
Was bedeutet Ihnen der Schweizer Filmpreis?
Es ist eine schöne Bestätigung und motiviert mich, weiterhin Filme zu machen, die ich machen will.
Wie werden Sie in Genf feiern, wenn Sie den Preis nach Hause nehmen dürfen?
Eine sehr spekulative Frage. Ich weiss es nicht. Zehnmal nackt um die St. Peter Kathedrale mit einer Zucchini in der Hand rennen? (lacht). Ich glaube nicht, dass «Marija» den Schweizer Filmpreis gewinnen wird.
Das Gespräch führte Ana Matijašević.