Ein neuer Schweizer «Tatort»-Kommissar nimmt die Arbeit auf: Der Zürcher H.P. Anliker sucht in Meiringen nach seiner verschwundenen Schwester. Regisseurin Susanne Janson hat diesen ungewöhnlichen «Tatort» inszeniert.
SRF: Den Radio Tatort gibt es seit zehn Jahren. Warum hat es so lange gedauert bis zur ersten Schweizer Folge?
Susanne Janson: Es war immer der Wunsch der ARD, dass die Schweiz mitmacht. Das SRF-Hörspiel hat immer gesagt: Das geht nicht, die Sprachbarriere ist zu gross. Wie können wir authentisch erzählen und gleichzeitig verständlich für den ganzen deutschsprachigen Raum bleiben?
Letztes Jahr ist es wieder konkret geworden und wir haben gesagt: Wir suchen einen Weg, das zu machen. Dann habe ich ein Autorenteam zusammengestellt, mit dem wir die Geschichte zusammen entwickelt haben.
Was ist dabei entstanden?
Es gibt eine Trilogie, die drei Fälle beziehen sich aufeinander. Jedes Jahr kommt ein neuer dazu. Der erste Fall spielt 1891, der zweite 2020 und der dritte spielt in der Zukunft 2056.
Dann gibt es keinen Ermittler, der in allen drei Geschichten vorkommt?
Doch, den gibt es trotzdem. Er ist ein wenig «larger than life». Er heisst H.P. Anliker, ist ein Zürcher Kommissär und ermittelt in allen drei Fällen. Es wird nicht erklärt, warum er durch die Zeiten wandern kann. Das kann sich der Hörer selber aussuchen.
Wenn man in der Schweiz eine realistische Geschichte erzählen will, kommt man um die Mundart nicht herum.
Das ist ein ziemlich ungewöhnliches Konzept für einen «Tatort». Wie kam das an bei der ARD, die ja quasi euer Auftraggeber ist?
Wir haben das Konzept bei den anderen Landesrundfunkanstalten, die den «Tatort» betreuen, vorgestellt. Auf der einen Seite gab es lange Gesichter. Weil ein «Tatort» ja eigentlich im Hier und Jetzt spielt.
Die andere Hälfte hat gesagt: «Wie toll!». Wir sind eine Blutauffrischung für die Serie. Wir sind kein klassischer «Tatort».
Wie habt ihr das Problem mit der Sprache gelöst?
Die Sprache ist ein Grund dafür, warum wir mit dem Schweizer «Tatort» künstlicher geworden sind. Wenn man in der Schweiz eine realistische Geschichte erzählen will, kommt man um die Mundart nicht herum. Darum ist es nun kein Kommissar, der etwa an der Langstrasse ermittelt.
Es gibt in unserem «Tatort» Mundart. Unser Dialekt ist zwar angelehnt ans Meiringer Haslidütsch, aber eigentlich gibt es ihn gar nicht: Das ist so wie beim «Totemügerli» – sehr lautmalerisch, und inhaltlich gar nicht richtig zu verstehen.
Dann gibt es vor allem Hochdeutsche mit und ohne helvetischen Akzent. Das haben wir auch den Schauspielern überlassen, wie sie das machen wollen.
Wie klingt Meiringen 1891?
Wir haben natürlich Schauspieler genommen, die Berndeutsch sprechen. Und dann haben wir zum Beispiel das Trycheln eingebaut – diesen Volksbrauch in Meiringen mit Schellen und Kuhglocken.
Eigentlich wird nur in der Altjahreswoche getrychelt. Aber bei uns machen sie das auch sonst im Jahr. Es gibt im Hörspiel ein altes Chalet, das ein Ort des Bösen sein soll. Die Meiringer betrycheln das Haus, um die Geister auszutreiben.
Ist es schwieriger, ein Hörspiel zu machen, das in der Vergangenheit spielt?
Ich finde, es hat uns viel Freiheit gegeben. Man hat sofort andere Möglichkeiten. Eine Verfolgungsjagd etwa: In einem Auto ist das ganz nett. Aber eine Verfolgungsjagd mit einer Kutsche macht zehnmal mehr Spass.
Oder es gibt im Hörspiel eine Veranstaltung auf einer Bühne: Da geht im Publikum nicht das Handy los, sondern eine Taschenuhr. Solche Spielereien, die auf die heutige Zeit verweisen, haben grossen Spass gemacht.
Das Gespräch führte Andres Hutter.