«Davos 1917» ist ein fiktives Historiendrama mit brandaktuellen Themen. Headautor Adrian Illien wirft damit ein Schlaglicht auf die Schweiz und ihre Rolle im Ersten Weltkrieg.
SRF: Wie ist die Idee entstanden, eine Serie zur Spionagetätigkeit in Davos während des Ersten Weltkriegs zu schreiben?
Adrian Illien: Ich war schon immer fasziniert von sogenannten «Lost Places». Beim Gedankenaustausch mit Bettina Alber, der SRF-Serienchefin, sind wir vor einigen Jahren auf die Bergsanatorien der «Belle Époque» gestossen. Gemeinsam mit Michael Sauter, Thomas Hess und Julia Penner sowie unseren Produzentinnen und Produzenten von Contrast Film und Letterbox Filmproduktion haben wir dann die Geschichte rund um die Krankenschwester Johanna Gabathuler entwickelt.
Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen?
Obwohl es eine fiktive Geschichte ist, ist sie doch von wahren Begebenheiten inspiriert. Es war ein für uns sehr interessantes Wechselspiel zwischen Dramaturgie und Recherche. Je mehr man mit den Figuren in die Welt eintaucht, desto mehr beginnt man das Ganze zu fühlen, was allerdings wiederum zu neuen Recherche-Fragen führt: Inwiefern war die neutrale Schweiz tatsächlich in Rüstungsgeschäfte verwickelt? Konnte man den Tuberkulose-Erreger 1917 nachweisen? Und zu welchen Zeiten fuhr die Rhätische Bahn in dieser Zeit von Davos aus los?
Deshalb standen wir mit Expertinnen und Experten aus medizin-, militär-, lokal- und sozialhistorischen Fachgebieten im Austausch. Der fachliche Austausch setzte sich fort mit der Regie, dem Szenenbildner sowie der Requisitenabteilung, die wiederum selbst Recherchen angestellt haben. Auch am Set standen uns Expertinnen und Experten beratend zur Seite.
Die historische Spionageserie «Davos 1917» ist auch eine Mentoring-Geschichte zwischen zwei Frauen.
Genau. Wir stellten fest, dass es im Spionage-Genre oft einen älteren Mentor gibt, der einen jüngeren Mann oder eine jüngere Frau ausbildet. Aber es existieren kaum Geschichten über Mentorinnen in diesem Genre.
Letztlich ist ‹Davos 1917› eine fiktive Geschichte.
So entstand die Idee, in «Davos 1917» eine Mentoring-Geschichte zwischen zwei Frauen zu erzählen. Das spannungsgeladene Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden Spioninnen, gepaart mit gegenseitigem Verständnis und Faszination, hat uns gefesselt.
Sind die beiden Spioninnen, die Hauptfiguren der Serie, von realen Frauen inspiriert?
Unsere Protagonistinnen, die Schweizer Krankenschwester Johanna Gabathuler und die deutsche Gräfin Ilse von Hausner, sind fiktive Figuren, aber beide von realen Frauen aus jener Zeit inspiriert, die mutig und ambivalent waren.
Während sich die Figur von Johanna an mehreren Schweizer Krankenschwestern orientiert, die fürs Rote Kreuz im Ersten Weltkrieg tätig waren, hat die Figur von Johannas Mentorin Ilse eine bis heute mysteriöse deutsche Meisterspionin als historisches Vorbild: die Führungsoffizierin von Mata Hari, der bekanntesten Spionin jener Zeit. Letztlich ist «DAVOS 1917» aber eine fiktive Geschichte.
Sehen Sie Parallelen zwischen 1917 und heute?
1917 war ein Schicksalsjahr: Auf europäischem Boden herrscht Krieg und die alte Weltordnung droht auseinander zu fallen, die USA verfolgen ihre «America First»-Strategie und die verunsicherte Bevölkerung stellt das Establishment zunehmend infrage.
Mit bis heute wenig bekannten historischen Hintergründen hoffen wir, eine moderne und aktuelle Serie entwickelt zu haben.
Zudem sendet die grösste globale Pandemie, die Spanische Grippe, ihre ersten tödlichen Vorboten. Klar, Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich in diesem Fall doch stark.
Was möchte das Autorenteam mit «Davos 1917» bewirken?
Zusammen mit den verblüffenden, bis heute wenig bekannten historischen Hintergründen hoffen wir, eine moderne und aktuelle Serie entwickelt zu haben: über die Schweiz, Deutschland und Europa, über die Anfänge der Geheimdienste sowie über die internationalen politischen Verflechtungen zu jener Zeit.