Wir sind auf der Tonspur von Filmemacher Stanley Kubrick. Er hat in seinen Filmen immer wieder klassische Musik eingesetzt. Er spielte mit ihr und lud sie mit neuer Bedeutung auf. So klingt das Weltall zum Beispiel wie der Strauss-Walzer «An der schönen blauen Donau». Der unkonventionelle Einsatz dieses Klassikers vermittelt Unendlichkeit und Schwerelosigkeit.
Kubrick liebte exzentrische Film-Soundtracks
Musik war für ihn nicht einfach Sound im Hintergrund, sondern sperriges, irritierendes und verblüffendes Hörwerk für die Kinogänger. Und er hob damit seine Filme in den Olymp der Kunst.
Am 26. Juli wäre der Filmkünstler mit dem genialen Blick für menschliche Verwerfungen 90 Jahre alt geworden. Der Filmregisseur, der mit den Augen lauschte und mit den Ohren sah.
Ein Blick in Stanley Kubricks Werksgeschichte zeigt, wie effektvoll der Regisseur klassische Musik einzusetzen wusste.
1. 2001: A Space Odyssey (1968)
Stanley Kubrick sass in seinem Schneideraum, den Plattenspieler in Reichweite. Auf dem Bildschirm drehte sich eine radförmige Raumstation. Wie könnte, wie müsste es klingen, wenn eine Raumstation sich in den Weiten des Weltraums bewegt?
Es knisterte und knackte, denn Kubrick hatte «An der schönen blauen Donau» von Johann Strauss aufgelegt. So wiegte sich dann im fertigen Film das Raum-Vehikel wie eine Schwester des Wiener Riesenrads: kosmische Harmonie im ¾-Takt und einer der eindrücklichsten Filmmusikmomente der Filmgeschichte.
2. Clockwork Orange (1971)
Nie war ein Beethoven-Fan bösartiger als Alex, der Teenager mit dem bösen Blick. Die Inkarnation der Niedertracht, kostümiert mit Bowler, weissem Cricket-Outfit und Spazierstock.
Nach Mord, Raub und Vergewaltigung zog es ihn zurück an die heimische Stereoanlage. Dort legte er eine Kassette mit Beethovens Neunter ein, die Aufputschdroge für die Macht- und Sexfantasien eines Scheusals.
Für Kubricks Film hat die Komponistin Wendy Carlos Beethovens Musik derart elektronisch verfremdet und dämonisiert, dass es einem kalt den Rücken herunterläuft. Kubrick zerlegt hier unsere heile Klassikwelt.
3. Barry Lyndon (1975)
Um ein Haar hätte sich Stanley Kubrick das Titelthema aus Francis Ford Coppolas Film «The Godfather» ausgeborgt, um Aufstieg und Fall des Dandys und Hochstaplers Barry Lyndon in Szene zu setzen. Filmkomponist Leonard Rosenman konnte Kubrick für eine andere Idee erwärmen: Die Sarabande von G.F. Händel.
Er arrangierte sie zum Leit- und Leidensmotiv, das durch das aufwändig gefilmte Sittengemälde wandert. Genial ist das Stück als Paukenversion in der zentralen Duell-Szene: Westernmusik des 18. Jahrhunderts.
4. The Shining (1980)
Jack Nicholson in einer seiner besten Rollen: Jack Torrance, der Schriftsteller mit Schreibblockade zieht mit seiner Familie in ein mondänes Berghotel in die Rocky Mountains. Ein Ort des Grauens.
Torrance mutiert zum Axtmörder, der seiner Familie, gejagt von grausigen Halluzinationen, nach dem Leben trachtet. Auf der Tonspur rumpelt und dröhnt die Musik von Krzysztof Penderecki.
Zu dessen Klängen verirrt sich der Irrsinnige am Ende im Labyrinth-Garten, bis das Blut gefriert. Avantgardemusik als Horrortrip.
5. Eyes Wide Shut (1999)
Stanley Kubricks letzter Film «Eyes Wide Shut» ist eine Adaption von Arthur Schnitzlers «Traumnovelle». Darin führt er uns in die Ehe-Sinn-Krise eines von Tom Cruise und Nicole Kidman gespielten New Yorker Ehepaares. Was passiert, wenn wir aus dem sicheren Hafen der Ehe in erotische Abgründe blinzeln?
Auch hier wieder dreht sich die Welt menschlicher Abgründe im Dreivierteltakt. Nicole Kidman sitzt auf der Toilette, Tom Cruise kleidet sich an: Aus dem Radio schunkelt der Jazz-Walzer Nr. 2 von Dimitri Schostakowitsch und die Welt ist noch in Ordnung.