«The Boy And The Heron» von Hayao Miyazaki
Kindlich, aber nie kindisch, wunderschön gezeichnet und dicht erzählt: Das sind die Animationsfilme des Japaners Hayao Miyazaki. 2002 gab’s den ersten Oscar für «Spirited Away». Nun ist der 82-Jährige mit «The Boy And The Heron» wieder im Rennen. Die Geschichte um einen Jungen, der seine Mutter verliert und mit einem Reiher-Kobold in eine fantastischen Unter- oder Jenseitswelt eintaucht, ist ein Meisterwerk und mein Favorit! Miyazaki vermischt schmerzliche Erinnerungen an seine Kindheit mit einer wunderbar versponnenen Erzählung über Werden und Vergehen. (Brigitte Häring, Filmredaktorin)
«The Zone of Interest» von Jonathan Glazer
Ohne ihn zu zeigen, vermittelt «The Zone of Interest» den Horror des Konzentrationslagers von Auschwitz wie noch kein Spielfilm zuvor. Jonathan Glazer zeigt den Alltag von Lagerkommandant Rudolf Höss und dessen Familie in der Villa mit Garten an der KZ-Aussenmauer. Was hinter der Mauer geschieht, ist allenfalls auf der Tonspur präsent. Schreie, Schüsse, Hundegebell. Indem er die bestehenden Bilder zum Holocaust als unsichtbare Geister beschwört, schafft Glazer ein filmisches Paradigma für kommende Generationen. Mein Wunsch-Oscar für «Best Picture». (Michael Sennhauser, Filmredaktor)
Highlights in der Kategorie Kurzfilm
Sie mögen so etwas wie die Stiefkinder der Zeremonie sein und sind dieses Jahr schwächer besetzt als auch schon. Trotzdem lassen sich in den Kurzfilm-Kategorien erneut Perlen entdecken. Es stechen heraus: ein Kurz-Animationsfilm über Kleidervorschriften an iranischen Schulen («Our Uniform»), eine herzerwärmende Kurzdoku über zwei Grossmütter («Nǎi Nai & Wài Pó»), sowie Wes Andersons manische, starbesetzte Roald-Dahl-Adaption («The Wonderful Story of Henry Sugar»). Gewinnen werden leider andere. (Luca Bruno, Moderator «Virus»)
Emma Stone
Meine Erwartungen an Emma Stone in «Poor Things» waren enorm. Seit ihrer Mia in «La La Land» gehört sie zu meinen absoluten Lieblingsschauspielerinnen. Und nun Bella Baxter – eine der mutigsten Rollen eines Superstars der Filmgeschichte. Zwei Stunden lang bewegt sich Emma Stone ausserhalb ihrer Komfortzone – zwei Stunden lang macht sie dies mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit. Ein Problem hat ihre Verkörperung allerdings: Wie kann sie das toppen? Ich bin zuversichtlich … (Philippe Klemenz, «Gesichter & Geschichten»)
«Les filles d’Olfa» von Kaouther Ben Hania
Die Tunesierin Kaouther Ben Hania gewinnt kaum einen Oscar: In der Kategorie «Bester Dokumentarfilm» hat «20 Days in Mariupol» aus der Ukraine die grössten Chancen. Bei Hanias Film «Olfas Töchter» überzeugt aber das abgründige Dispositiv: Es ist die Geschichte einer Mutter und ihrer Töchter, von denen sich zwei dem Islamischen Staat (IS) anschlossen. Die Regisseurin gestaltet mit den Frauen ein komplexes Reenactment, in das auch drei Schauspielerinnen involviert sind. Ein faszinierendes Vexierspiel um Tabus und offene Wunden. (Georges Wyrsch, Filmredaktor)