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Schwarzweissportrait eines älteren Mannes mit zurückgekämmten Haaren.
Legende: Getty Images / Peter Wafzig

Zum Tod von David Lynch Hollywoods Albtraumfänger hat schrecklich schöne Filme geschaffen

David Lynch träumte betörende Leinwandträume. Der Visionär schuf einzigartige, schrecklich schöne Filmkunstwerke. Nun gab seine Familie den Tod bekannt.

Auf einer Wiese liegt ein abgetrenntes Ohr. Eine Frau findet eine Videokassette, die sie mit ihrem Mann zeigt, heimlich im Schlaf gefilmt. In einem gemütlich eingerichteten Wohnzimmer klettert plötzlich eine dämonisch lachende Gestalt über die Couch.

Mann hockt in hohem Gras und hält etwas.
Legende: Horror vor der Haustür: Jeffrey Beaumont (Kyle MacLachlan) macht in «Blue Velvet» (1986) eine morbide Entdeckung. IMAGO / Allstar

In den Filmen von David Lynch werden Idyllen urplötzlich von Horror durchbrochen. Schönheit und Schrecken liegen nah beieinander, sind möglicherweise sogar dasselbe. Überall tun sich Abgründe auf, unter allem brummt dumpf eine unerklärliche Bedrohung.

Verstörende Kinokunst

Lynchs Filme gleichen Albträumen. Im Verlaufe der Werksgeschichte entzogen sie sich immer mehr gängiger Erzähl-Logiken. Meisterwerke wie «Lost Highway» oder «Mulholland Drive» lassen sich kaum schlüssig erklären. Am besten funktionieren diese Filme, wenn man sich auf ihre Traumhaftigkeit einlässt, auf die Atmosphäre, das Nebeneinander von Schrecken und Schönheit.

Seinen Tonfall hatte Lynch schon in seinem allerersten Film gesetzt, dem fantastisch bizarren Schwarzweiss-Kunstwerk «Eraserhead» (1977). Bis zu den 90ern folgten vergleichsweise stringente Werke, einige von ihnen sind grandios («Blue Velvet», «The Straight Story»), manche schrecklich misslungen («Dune») und andere irgendwo dazwischen («Wild at Heart»).

In «Twin Peaks» stimmt was nicht

Unvergessen auch die Serie «Twin Peaks». Die erste Staffel war ein bis dahin ungesehen rätselhaftes TV-Ereignis. Sie erzählt von einer Kleinstadt, die vom Tod einer jungen Frau erschüttert wird. Die zweite Staffel litt unter Produktionsschwierigkeiten und dem schwindenden Interesse der Macher, was zu einem abrupten und unbefriedigenden Serienende führte.

Frau mit geschlossenen Augen in Plastikfolie eingewickelt.
Legende: Wer hat Laura Palmer getötet? Diese Frage beschäftigte in den frühen 90ern «Twin Peaks»-Fans auf der ganzen Welt. Imago / LYNCH FROST PRODUCTIONS

Lynch kehrte immer wieder nach «Twin Peaks» zurück. Es folgten der Spielfilm «Fire Walk with Me» und eine spät nachgelegte dritte Staffel. Hier verzettelte sich Lynch – genauso wie in seinem letzten Spielfilm «Inland Empire» – in seinen wirren Traumwelten.

Malerei, Fotografie, Musik

Lynchs Markenzeichen war die gewachste Haartolle, der schwarze Anzug, frisch gebohnerte Schuhe und eine brennende Zigarette. Sein stechender Blick und die langsame, eindringliche Sprache machten ihn zu einer eigenwilligen Erscheinung.

Schwarz-Weiss-Foto von einem Mann im Anzug mit Zigarette.
Legende: Wegen gesundheitlicher Probleme gab Lynch im hohen Alter das Rauchen auf. Bis dahin war die Zigarette eines seiner Markenzeichen. Getty Images / Chris Weeks

Als Filmemacher war er ein Autodidakt, der stets auf die Bilder in seinem Kopf vertraute. Er hatte Malerei studiert, war neben dem Filmemachen immer auch als Maler und Fotograf aktiv. Genauso wichtig war die Musik – prägend die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Angelo Badalamenti, die nicht nur den magischen Soundtrack zu «Twin Peaks» hervorbrachte, sondern auch Musik zu fast allen anderen Lynch-Filmen.

Nach «Inland Empire» verlor Lynch das Interesse am Film, wurde stattdessen als Musiker immer produktiver – auch hier verstand er sich als Laie, der Musik ganz nach seinem Gespür komponierte. Daneben war Lynch ein Verfechter der transzendentalen Meditation von Maharishi Mahesh Yogi. Mit grossem Aufwand betrieb er Programme, die die Methode weltweit an Schulen unterrichteten. Dafür erntete er auch Kritik, die Strömung ist umstritten.

Lynch for Beginners: Fünf beste Filme

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Mann im Anzug spricht in ein Diktiergerät neben einem Baum.
Legende: Kyle MacLachlan als Agent Cooper in «Twin Peaks». IMAGO Images / Allstar
  • «Blue Velvet» (1986)
    Dass der Student Jeffrey (Kyle MacLachlan) in seinem Heimatort auf einer Wiese ein abgetrenntes Ohr findet, ist noch lange nicht das Seltsamste, was dem jungen Mann widerfahren wird. Ihn erwartet eine Achterbahnfahrt durch eine Welt von Verbrechen, Sex und Gewalt. Mittendrin: ein wunderbar schrecklicher Dennis Hopper.
  • «Lost Highway» (1997)
    Mehr Lynch geht nicht. Ein durch und durch verstörender und faszinierender Film, der einem das Hirn so richtig durchschüttelt. Ab der ersten Sekunde stockt der Atem: David Bowies «I'm Deranged» nimmt uns mit auf eine Irrfahrt über eine nächtliche Wüstenstrasse. Es ist der Beginn eines furchteinflössenden Fiebertraums, in dem die Dinge immer wieder komplett auf den Kopf gestellt werden.
  • «Twin Peaks» (1990–1991)
    Lange vor der goldenen Ära der TV-Serien schuf Lynch zusammen mit Mark Frost ein fantastisch verstörendes TV-Drama. FBI-Agent Cooper (wieder Kyle MacLachlan) taucht ein in die Intrigen und Abgründe einer Kleinstadt. Er soll den Tod einer jungen Frau aufklären. Schnell wird klar: In Twin Peaks geht es nicht mit rechten Dingen zu, hier sind dämonisch Kräfte am Werk.
  • «The Straight Story» (1999)
    Untypisch unaufgeregter Lynch-Film: ein alter Mann tuckert auf einem Rasenmäher durch den mittleren Westen. Ein stilles und radikal entschleunigtes Roadmovie über die Menschen in den ländlichen USA, über das Leben und den Tod. Die Hauptrolle spielt glänzend Richard Farnsworth, es war sein letzter Film.
  • «Eraserhead» (1977)
    In Lynchs Erstling steckt schon vieles, was auch sein späteres Werk ausmacht. «Eraserhead» handelt von einem Mann, dessen Frau ein echsenähnliches Wesen gebärt. Der surrealistische Film wird von traumhaften Figuren bevölkert, unter allem klingt das lynchsche Brummen und es wechseln sich Momente von Schönheit und Grauen ab.

Einen wie Lynch wird es in Hollywood nicht mehr geben. Lynch gelang es, die Bilder in seinem Kopf auf die Leinwand zu bringen, indem er seinen ganz eigenen Zugang zum Filmemachen konsequent verfolgte. Diesem surrealistischen Schaffen verdanken wir Filme, die gerade wegen ihrer Eigenständigkeit zeitlose, überwältigende Leinwandträume sind.

SRF 4 News, 16.1.2025, 20 Uhr

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