Mit dem Kinderbuch hat dieser Heidi-Film herzlich wenig gemein: Darin ist die Schweiz eine Käsediktatur, in der Max Rüdlinger als sadistischer Kommandant Knorr sein laktoseintolerantes Opfer mit Fondue waterboardet.
Der Alpöhi entpuppt sich als Widerstandskämpfer, während Heidi zur hellebardenschwingenden Freiheitskämpferin mutiert.
Mehr als ein Berg-Blutbad?
«Mad Heidi» erfüllt die Erwartungen so verlässlich wie eine Kuckucksuhr und setzt damit den zentralen Aspekt der «Exploitation» (Ausbeutung) mustergültig um. Trotzdem bietet der Schweizer Film mehr als nur eine absehbare Reihung von Klischees.
Das beginnt beim Titelvorspann, der Tarantino-mässig wie eine zerschlissene 35mm-Kopie über die Leinwand rasselt. Der Film steigert sich zu einem ersten Blutbad, bei dem schwarzuniformierte Schweizer Sturmtruppler eine demonstrierende Menge mit Sturmgewehren massakrieren, und nimmt dann seinen sadistischen Lauf, wie es sich gehört.
Trashig, aber liebevoll
So weit, so absehbar. Aber eben nicht nur. Neben Unmengen von Kunstblut steckt in diesem «Mad Heidi» auch etliches Herzblut, und dem kann sich kaum ein Filmfan entziehen.
Die Berner Jugendfreunde Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein haben mit ihrem Produzenten Valentin Greutert ihr blutig-trashiges Leinwand-Uhrwerk mancherorts recht liebevoll angereichert.
Der schon etwas abgehangene Leinwandruhm von Star Casper van Dien in der Rolle des Käsediktators wird etwa mit ein paar wörtlichen Zitaten aus seinem Hollywood-Sprungbrett «Starship Troopers» (1997) befeuert.
Schweizer Hommagen inklusive
Dabei ist für alle etwas zu haben. Der Nerdfaktor steigert sich von den billigsten Zutaten bis zu einer Verschmelzung des Genre-Kinos.
Heidi durchlebt etwa den Frauengefängnis-Film, die Wuxia-Schwertkämpfer-Trainingsphase oder das Gladiatoren-Kino. Es gibt Szenen aus dem Filmgenre der Blaxploitation (afroamerikanische Haudraufs) und Nunsploitation (Nonnenkämpfe).
Auch die Swissness ist vielschichtig. Zum einen ist da die irre Geografie, bei der Bern, das Amphitheater von Martigny, Davos und das Matterhorn alle gleich nebeneinander liegen. Der Schweizer Kinofan findet aber auch eine Hommage an Erwin C. Dietrich, den 2018 verstorbenen König des Schweizer Trash-Films.
Im Hof des Frauengefängnisses dröhnt aus den Lautsprechern das Titel-Marschlied aus dessen Naziploitation-Film «Eine Armee Gretchen» von 1973. Das ist Fanservice auf archäologischem Niveau.
Eine diverse Alpentruppe
Das Verblüffendste an diesem für ein globales Publikum gemachten «Mad Heidi» ist aber die unangestrengt beiläufige Diversität. Heidi bleibt weiss, aber «Goat-Peter» ist schwarz, im Schweizer «Volch» wie im Widerstand finden sich verschiedene Ethnien sowie kleinwüchsige Menschen in absoluter Selbstverständlichkeit.
Dass das weniger auffällt als die angestrengte «Diversity» bei aktuellen Hochglanzproduktionen hat damit zu tun, dass das trashige Exploitation-Kino schon immer seismografisch funktioniert hat: Gib dem Publikum, was es will. Aber ohne Botschaft.
Kinostart: 23.11.2022. Ab dem 8. Dezember gibt es den Film über madheidi.com global im Stream.