Ungewollte Schwangerschaft sorgen seit jeher für Debatten. Bereits in altägyptischen Schriftrollen gibt es Hinweise auf Substanzen mit abtreibender Wirkung. Im antiken Griechenland wurden Abtreibungen praktiziert, auch wenn der hippokratische Eid sich klar davon distanziert. Das hält die Nationale Ethikkommission 2002 in einer Stellungnahme fest.
Die Schweiz als Vorreiterin
Mit der Ausbreitung der christlichen Religion wurde Abtreibung als Tötung klassiert und zur Straftat erklärt. Das war auch in der Schweiz nicht anders. Erst als 1942 das Schweizerische Strafgesetzbuch in Kraft trat, gab es eine Einschränkung.
Neu sollten in «bestimmten Situationen» Frauen nicht mehr verfolgt werden, die einen Schwangerschaftsabbruch vornahmen. Nämlich dann, wenn die Schwangerschaft die Frauen in Lebensgefahr bringen sollte. Mit dieser Einschränkung war die Schweizer Handhabung 1942 eine der liberalsten in Europa.
Doch gesellschaftliche Verhältnisse ändern sich. In Folge einer zunehmenden Liberalisierung wurden Stimmen laut, die mehr Selbstbestimmungsrecht für schwangere Frauen forderten.
Ein erster Versuch, den Schwangerschaftsabbruch gänzlich zu entkriminalisieren, scheiterte allerdings in den 1970er-Jahren mit einem deutlichen Volks-Nein. Eine Fristenregelung, die einen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen legalisieren wollte, wurde knapp abgelehnt.
Frischer Wind für die Fristenregelung
1993 nimmt die damalige SP-Nationalrätin Barbara Haering einen neuen Anlauf und reicht eine parlamentarische Initiative für eine Fristenregelung ein. Die Chancen stehen besser als noch 20 Jahre zuvor, denn zwischenzeitlich hat sich in der Schweizer Gesellschaft so einiges verändert.
So wurde 1981 etwa der Gleichstellungsartikel in der Verfassung hinterlegt und 1991 beteiligten sich Hundertausende von Frauen an Protest- und Streikaktionen für ihre Rechte. Das Thema des Schwangerschaftsabbruchs sei ein urfeministisches Thema, sagt Barbara Berger von Sexuelle Gesundheit Schweiz, genau gleich wie die Frage: «Wer bestimmt über meinen Körper».
Ein deutliches Ja vom Volk
Bis die Fristenregelung den Weg in den Gesetzestext fand, sollte es noch ein paar Jahre dauern. Denn aus dem christlich-konservativen Lager wehte ein starker Gegenwind. So reichte ein Intiativkomitee 1999 die Volksinitiative «Für Mutter und Kind» ein – quasi ein Gegenvorschlag zur Fristenregelung.
Als das Parlament die Fristenregelung 2001 verabschiedete, ergriffen Gegner und Gegnerinnen das Referendum. Nichtsdestotrotz wurde die Fristenregelung am 2. Juni 2002 mit deutlichen 72.2 Prozent vom Volk angenommen.
Raus aus dem Strafgesetzbuch?
Der 20. Jahrestag der Annahme sei für sie ein Feiertag, sagt Barbara Berger: «Ein Meilenstein, weil damit die Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper gesetzlich verankert wurde.» Allerdings stört sich Sexuelle Gesundheit Schweiz daran, dass die Fristenregelung im Strafrecht geregelt ist. «Wenn etwas im Strafrecht hinterlegt ist, bedeutet das automatisch auch eine moralische Verurteilung. Es ist etwas, was nicht in Ordnung ist», sagt Berger.
Aus diesem Grund reicht heute die Präsidentin von Sexuelle Gesundheit Schweiz und Nationalrätin Léonore Porchet eine parlamentarische Initiative ein. Diese will, dass Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird. Stattdessen soll ein eigenes Gesundheitsgesetz dafür erarbeitet werden.