Sie strahlt und versprüht Optimismus. Egal, was ich sie frage, Laila Solimans Antworten sind immer überraschend, nachdenklich, entsprechen keinem Klischee, keiner oft vernommenen Meinung. Da hat jemand einen besonderen Blick auf diese Welt, auf ihr Land Ägypten, auf die Revolution. Journalisten begegnet sie misstrauisch, die Häppchen der Medienwelt entsprechen selten der Wirklichkeit, so wie Laila Soliman sie wahrnimmt.
Laila war stets mittendrin
Als der Tahrir-Platz in Kairo bebte, war Laila mittendrin. Es waren die euphorischen 18 Tage im Januar 2011, als der Widerstand gegen Mubaraks bleiernes System alle gesellschaftlichen Schranken niederriss.
Da standen Muslimbrüder neben Liberalen, da skandierten verschleierte Frauen neben westlich gekleideten jungen Mädchen die Forderungen aller: «Brot – Freiheit – soziale Gerechtigkeit.» Und auch, als die Militärs ihr wahres, gewalttätiges Gesicht zeigten und mit Knüppeln und Gewehren gegen die Revolutionäre vorgingen, war Laila mittendrin.
Theater, das Gewalt thematisiert
Bereits im April 2011, kaum drei Monate nach Beginn der Revolten, holte sie die Revolution ins Theater und berührte mit «No Time for Art» ein Tabuthema jener Zeit: Verhaftungen und Folter durch die Militärpolizei. Einer ihrer Freunde, der Schauspieler Aly Sobhy war von Militärs verschleppt, gefoltert und kahl rasiert worden.
Kein Einzelfall. 2011 landeten Zehntausende von Regimegegnern in Militärgefängnissen. Worüber ägyptische und internationale Medien nur zaghaft berichteten, machte Laila Soliman öffentlich. Sie thematisierte im Theater die systematische Gewalt der Generäle, die das politische Vakuum nach Mubaraks Rücktritt füllten und ihre Macht brutal verteidigten.
Ein Stück über das Innenleben der Revolte
Im August 2011 folgte ein zweites Theaterstück: «Lessons in Revolting». Während der immer wieder aufflammenden Proteste gegen das Militär entwickelte Laila gemeinsam mit neun Aktivisten und ihrem Partner, dem belgischen Theatermacher Ruud Gielens, ein wildes, eruptives Stück. Dokumentarisches Theater – das Innenleben der Revolte, beschrieben von Musikern, Bloggern, Filmemachern und Tänzern, die mit ihrem Protest und ihren künstlerischen Aktivitäten grossen Anteil hatten an der Revolution.
Sendungen zum Thema
«Was immer jetzt kommt, ist gut»
Als ich Laila vier Monate später, im Januar 2012 zum ersten Jahrestag der Revolution fragte, welches Résumé sie ziehen möchte, sagte sie: «Was immer jetzt kommt, ist gut. Auch wenn es jetzt nicht komplett gut ist, ist es dennoch gut. Es wird gut sein.»
Das klang überzeugend und wir (der ägyptische Filmemacher Achmed Abdel Mohsen und ich) wollten es auch so sehen. Wir überliessen Laila, der Optimistin, das Schlusswort in unserem Film «Laila, Hala und Karima – Ein Jahr im revolutionären Kairo».
Wer ist heute der Feind?
Ein Jahr später treffe ich Laila Soliman wieder. In Amsterdam, wo sie neben ihren Theaterarbeiten am internationalen Theaterlabor (DasArts) der Kunsthochschule ihren Master machen will.
Sie ist viel gereist im vorangegangenen Jahr. «No Time for Art» hat sie weiter entwickelt, inzwischen gibt es vier Teile, die sie nicht nur in Ägypten zeigt, sondern auch in ganz Europa.
Sie verbringt so viel Zeit wie möglich in Kairo, arbeitet dort, demonstriert. Früher war der Feind klar auszumachen, es war Mubaraks Regime, dann die Militärdiktatur. Aber nun?
Islamisten verlieren an Zustimmung
In der politischen Auseinandersetzung um eine neue Verfassung behielten ganz klar die Islamisten die Oberhand. Ägypten wird von einem Islamisten regiert. Das stimmt, meint Laila, diese Phase war zu erwarten, das sei keine Überraschung. «Aber ich vertraue dem Instinkt der Leute», sagt sie. «Es kommen immer mehr Menschen zu den Demonstrationen, die früher nicht dabei waren. Und das gibt Hoffnung. Die Islamisten verlieren an Zustimmung. Das sieht man an den Zahlen, die kontinuierlich abnehmen, von den Wahlen vor einem Jahr – bis zur Abstimmung über die Verfassung jetzt.»
Das Feuer der Revolution brennt immer noch
Und dennoch. Ich erzähle ihr, wie frostig ich das Klima empfand, bei meinem letzten Besuch in Kairo, wie von der Euphorie der Revolution wenig spürbar war. Ist die Revolution denn schon vorbei, frage ich. «Definitiv nicht», erwidert sie. «Es brennt noch, das Feuer der Revolution.»
Laila Soliman hat Pläne. Sie will weiter mit Theaterformen experimentieren, in Europa, in Ägypten, in der Hoffnung, dass sich in Zukunft kulturelle Plattformen bilden im öffentlichen Raum. Der Kampf für ein freies Ägypten ist noch lange nicht vorbei.