Es war Abneigung pur, die den knapp 10'000 Ausland-Schweizerinnen und -Schweizern entgegenschlug, als sie nach Ende des Zweiten Weltkriegs in die Schweiz zurückkehrten. Der grösste Teil aus den Ostgebieten des ehemaligen Deutschen Reichs, wo sie vor der Sowjetmacht flüchteten.
Zahlreiche Radiohörerinnen und Facebook-User erzählen in Mails und in Kommentarspalten, dass sie sich durch die Berichte der Zeitzeugen an die eigene Familiengeschichte erinnert fühlten.
Besonders ein Facebook-Post sorgte für emotionale Reaktionen in unserer Community:
Erinnerungen der SRF-Kultur-Community
Für Marianne Rüdlinger aus Niederuzwil zum Beispiel deckt sich das Gehörte und Gelesene mit den «Erlebnissen meiner Grosseltern, die mit ihren drei kleinen Kindern nach Kriegsende aus dem russisch besetzten Teil Deutschlands zurück in die Schweiz flüchteten.»
Man hat mich als Knabe im Berner Oberland als «Gashahne» beschimpft.
Man rief sie «Sauschwaben» oder «Nazis», oder auch «als Rucksackdeutsche», wie Gregor Gysin berichtet. Und Johannes Lortz, Sohn von Heimkehrern, schildert, man habe ihn als Knabe im Berner Oberland als «Gashahne» beschimpft.
Die Stimmung in der Schweiz war sehr antideutsch.
Vorschnelle Einschätzungen
Es gibt auch relativierende Stimmen: «Die Beleidigungen muss man auch im historischen Kontext verstehen», schreibt Adrian Georges. Und Esther Krebs: «Es war eine ganz andere Zeit als heute.»
«Die Stimmung in der Schweiz war sehr antideutsch», sagt Christina Späti, Professorin für Zeitgeschichte an der Universität Fribourg. «Der Umstand, dass diese Heimkehrer unter dem Hitlerregime in Deutschland geblieben waren und erst bei Kriegsende vor den Kommunisten flüchteten, führte dazu, dass man sie häufig als Nazis einschätzte.»
Was kaum der Wahrheit entsprach: Die Heimkehrer hatten sich laut Späti zwar mit dem Nazistaat «irgendwie arrangiert». Aber: «Sie waren wahrscheinlich nicht Hardcore-Nazis.»
Ich habe mich sogar geweigert, Hochdeutsch zu sprechen.
Die Sprache als Kainsmal
Besonders nachteilig sei gewesen, wenn Rückwanderer kein Schweizerdeutsch sprachen: «Seit den 1930er Jahren gab es in der Schweiz in Abgrenzung zu Deutschland eine eigentliche Mundartwelle. Das Hochdeutsche war verpönt.» Wer es in der Öffentlichkeit sprach, «setzte sich automatisch ins Schaufenster.»
Annie Griffiths, die als Tochter einer Deutschen und eines Schweizer Vaters in der Schweiz aufgewachsen ist, erinnert sich, dass in ihrer Familie alles Deutsche als «schlecht» gegolten habe. Die Mutter habe nicht widersprochen. «Und ich habe mich sogar geweigert, Hochdeutsch zu sprechen.»
Es war eine ganz andere Zeit als heute.
Nachwirkung bis heute?
Laut dem Kommentar von Fredi Gurtner hat diese Stimmung Auswirkungen bis in die Gegenwart: Es sei «historisch begründet», dass «wir Schweizer vieles nicht lieben, welches aus Deutschland kommt».
So ist in der Schweiz etwa bis heute eine reflexartige Antipathie gegenüber der deutschen Fussballnationalmannschaft weit verbreitet. Für Christina Späti ist dies allerdings kaum eine direkte Folge des Weltkriegs.
Die Ursache liege eher auf Schweizer Seite: «Es ist das typische Verhalten eines kleinen Landes gegenüber einem Nachbarn, der die gleiche Sprache spricht, jedoch viel grösser und kulturell dominant ist.»
Nicht das dunkelste Kapitel
Die vielen Reaktionen der SRF-Community zeigen, dass der fragwürdige und wenig aufgearbeitete Umgang der Schweiz mit den Heimkehrern bewegt. Er sei «bestimmt kein Ruhmesblatt», sagt Historikerin Christina Späti.
Allerdings habe man sich damals in einer Zeit befunden, in der «viel ethisch Fragwürdiges» geschehen sei. Im Vergleich zur hartherzigen Flüchtlingspolitik der Schweiz während des Krieges, sei das Los der Heimkehrer insgesamt weit weniger dramatisch gewesen.
«Man hat diese Menschen zwar nicht willkommen geheissen. Aber sie bekamen in der Regel doch die Möglichkeit, sich in der Schweiz ein neues Leben aufzubauen.»