In Russland setzt sich eine neue Erinnerungskultur durch. Die Order zur Einrichtung von Museen der «Militärischen Spezialoperation» kam von Wladimir Putin persönlich. Und das russische Kulturministerium empfiehlt, welche zeithistorisch relevanten Objekte zu sammeln sind: «Kinderspielzeug mit Blutspuren, beschädigtes Kinderspielzeug, zerbrochene und beschädigte religiöse Gegenstände».
Im Museum von Saratow musste man offenbar ohne diese Objekte auskommen, daher wurde kurzerhand ein Sandhaufen aufgeschüttet, in den Schaufeln, Eimer, Förmchen und ein einzelner Kinderschuh drapiert wurden. Ferner können Besucher russische Militäruniformen, Tarnnetze, Uniformen, Verpflegungsrationen oder Kinderbriefe an die Front bestaunen.
Massgeschneiderte Geschichte
Die sogenannte «Militärische Spezialoperation», also der Krieg gegen die Ukraine, wird im Museum inzwischen sakralisiert. Dabei soll die Kernerzählung des Kreml untermauert werden.
«Es geht um einen Genozid an der russischsprachigen Bevölkerung auf dem Gebiet der Ukraine», behauptet etwa die Kuratorin Julia Bukajewa im Museum in Saratow. «Die russische Sprache wird verdrängt, die sowjetische Geschichte wird ausgelöscht, Denkmäler werden abgerissen und es erwacht dieser Nationalismus, dieser Nazismus, gegen den unsere Vorfahren während des Zweiten Weltkriegs gekämpft haben.»
Die Rückkopplung von Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine mit dem Zweiten Weltkrieg gehört zur propagandistischen Stossrichtung des Kreml.
Feindmarkierung im Museum
Prominent platziert sind im Kriegsmuseum in Saratow die Verpflegungsrationen für ukrainische Soldaten. «Hergestellt in den Vereinigten Staaten, in den Niederlanden, in Deutschland und Grossbritannien», wie die Kuratorin betont. Exponate, die «belegen, wie die ukrainische Armee von verschiedenen Staaten unterstützt wird.»
Russlands vermeintlicher Kampf gegen die Nato soll ebenfalls vergegenwärtigt werden, denn Aufgabe der Museen ist es laut Kulturministerium: «Historische Wahrheit durch Exponate zu verbreiten».
Bücher wie «Die grosse Geschichte der Ukraine», «Die Kriege Russlands gegen die Ukraine vom 12. bis zum 21. Jahrhundert» oder «Der Gesetzeskodex der Ukraine» werden als Kriegstrophäen und vermeintlicher Beweis eines ukrainischen Nationalismus dargeboten. Und 50-Hrywnja-Scheine sollen «Alltäglichen Nazismus» belegen. Auf dem Geldschein prangt das Portrait Michajlo Hruschewskyjs, des ersten Präsidenten der unabhängigen ukrainischen Volksrepublik nach 1917.
Russland spricht der Ukraine jede staatliche Eigenständigkeit ab, daher dienen die Objekte als absurde Beweise für ukrainischen Nationalismus. Vielmehr vergegenwärtigen die Museen damit aber imperial-verblendeten und kriegerischen russischen Nationalismus.