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Shila Behjat über ihr Buch «Söhne grossziehen als Feministin»
Aus Kultur-Aktualität vom 07.03.2024. Bild: Getty Images / Maskot
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Buch von Shila Behjat Ihre eigenen Söhne bringen eine Feministin ins Grübeln

Jungs sollen zurückstecken. Aber die eigenen Söhne? Die Feministin Shila Behjat hadert als Frau für Frauen – und als Mutter für ihre Buben.

«Er darf bloss kein Arschloch werden», dachte sich Shila Behjat, als sie zum ersten Mal schwanger war – mit einem Jungen. Mittlerweile ist die deutsche Journalistin und Autorin Mutter zweier Söhne, die zu Männern heranwachsen.

Wir müssen den Diskurs über die neue Männlichkeit besetzen.
Autor: Shila Behjat Autorin

Behjats Befund: Wie man Töchter aufzieht, wie man sie ermutigt und stark machen kann – darüber liest man viel. Wie aber zieht man Söhne gross, in einer Welt, die männliche Dominanz ablehnt? In ihrem Essay «Söhne grossziehen als Feministin» sucht sie nach Antworten.

Laute Mädchen, gerügte Jungs

Die 41-Jährige schildert eine Umgebung, in der Mädchen laut und wild sein dürfen – Buben aber nirgends mehr hineinpassen. Ihre Forderung: Darüber nachdenken, was der Platz und die Rolle von Jungs und Männern sein wird. Noch wichtiger: «Wir müssen den Diskurs über die neue Männlichkeit besetzen.»

Shila Behjat

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Shila Behjat ist Journalistin und Publizistin mit deutsch-iranischen Wurzeln.

Sie studierte Jura in Hamburg und Paris, war Korrespondentin in London, lebte als freie Journalistin in Indien und berichtete für das Frauenportal Aufeminin.com über Gleichstellung in der EU.

Behjat spricht nicht für ihre Kinder, sondern geht in sich. Sie beobachtet mit Freude, wie gleichaltrige Mädchen in der Schule oder auf dem Sportplatz brillieren. Gleichzeitig denkt sie sich: «Und meine Jungs?» Sie rügt deren aggressives Verhalten, erwischt sich aber bei der Vorstellung, Jungs bräuchten doch aber einen «Killerinstinkt».

Achtung, Jungs!

Dann geht’s an die Arbeit. Behjat hinterfragt ihren Feminismus und ihre Männerbilder. Sie fragt: «Warum gehe ich überhaupt vom Allerschlimmsten aus, wenn ich an meinen zukünftigen Sohn denke, der gerade noch in meinem Bauch ist?» Eine irritierende Frage. Sie wird verständlich, wenn Behjat von ihrer persönlichen Unterdrückung erzählt.

Über meine Söhne erkenne ich, wie kollektiv das Trauma mit männlicher Dominanz in uns allen sitzt.
Autor: Shila Behjat Autorin

Oft musste sich Behjat gegen Männer durchsetzen. Sie muss Erniedrigungen weglächeln. Sich Platz erkämpfen. So wie sie es als Frau erlebt hat, erkennt sie bei ihren Buben: Auch sie werden vorverurteilt. Die Mutter muss sich anhören: «Bei Jungs kann man nie genug aufpassen. Die machen alles kaputt.»

Trauma der männlichen Dominanz

Behjat fordert für ihre Jungs, wofür Frauen schon lange kämpfen: «Dass das Geschlecht nicht der dominierende Faktor davon ist, wie wir in der Gesellschaft wahrgenommen werden. Das muss auch für Männer gelten.» Eine Auflösung einer starken Geschlechterzuweisung also.

Buchhinweis

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Shila Behjat: «Söhne grossziehen als Feministin. Ein Streitgespräch mit mir selbst», Hanser Verlag, 2024

Am 24. Juni liest Shila Behjat im Kaufleuten Zürich aus ihrem Buch vor.

Dabei sucht Behjat nicht Schuldige für die jetzige Situation, sondern fängt bei sich an. «Durch meine Empörung hindurch, die ich über die pauschale Verurteilung meiner beiden Söhne empfinde, erkenne ich, wie kollektiv das Trauma mit männlicher Dominanz in uns allen sitzt.»

Männer gegen Männergewalt

Männlichkeit habe ein «Image-Problem», stellt sie fest und wird «zu Recht abgelehnt». Patriarchale Männlichkeit kommt nicht gut weg – weder in der Popkultur noch in den Zahlen.

«Gewalt ist vor allem männlich, und die Opfer dieser Gewalt sind oft Frauen», schreibt Behjat. «90 Prozent der Opfer von Vergewaltigungen sind Frauen. 90 Prozent der Opfer von Gewaltdelikten sind aber Männer. Männliche Gewalt bedroht also Frauen und Männer.» Das Ziel sollte laut Behjat eine Allianz sein. Männer dazu gewinnen, sich gegen männliche Gewalt zu stellen.

Krise der Männlichkeit

Behjat fragt, wann anerkannt wird, dass auch für Männer keine biologische Festlegung auf ein bestimmtes Verhalten existiert. Und weiter: «Wann können wir auf solche Weise an die Wurzel der Gewalt kommen, die unabweisbar von Männern ausgeht?»

Diese «Krise der Männlichkeit» sieht Behjat als echte Gefahr für ihre Söhne. Für sie ist klar: Wer sich von der Diskussion über neue Formen von männlicher Identität distanziert, läuft Gefahr, die Leerstelle reaktionären Gruppen zu überlassen. Frauenfeindlichen, den sogenannten Incels.

Was bedeutet der Begriff Incels?

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Die Bezeichnung Incel ist eine Mischung aus den englischen Wörtern «involuntary» (dt. «unfreiwillig») und «celibate» (dt. «sexuelle Enthaltsamkeit»).

Er wird als Selbstbezeichnung von jungen heterosexuellen Männern genutzt, denen eine (sexuelle) Beziehung zu Frauen fehlt und die Schuld daran im Feminismus sehen.

«Incels» sind vor allem in Internetforen und sozialen Netzwerken aktiv. Sie propagieren und diskutieren dort Hass auf Frauen und entsprechende Gewaltfantasien in Form von Texten, Videos und Memes.

Was bedeutet es denn heute, ein Mann zu sein? «Die Antwort, die es im Moment gibt, ist eine reaktionäre: Die Frauen, die Feministinnen haben uns alles weggenommen, sie bedrohen uns. Der Mann gilt nichts mehr, Männlichkeit wird nicht angesehen, wird lächerlich gemacht», sagt Behjat. «Diesen Diskurs müssen wir uns wieder zurückholen. Das wird die Zukunft unseres Zusammenlebens stark entscheiden.»

Viele Gedanken, die sich Behjat in ihrem Essay macht, sind nicht neu. Aber die ehrliche Perspektive einer Frau, die feministische Werte lebt, gibt ihr eine neue Qualität. Männer sollen zurückstecken. Aber die eigenen Söhne? Behjat hadert als Frau für Frauen und als Mutter für ihre Söhne.

Die Offenlegung ihrer Zweifel hat etwas Einladendes. Für alle Menschen, die mit Kindern zu tun haben. Die Feministin besetzt als Mutter die Debatte mit Mut und besten Intentionen.

Mental Load und Moral Load

Rollenverteilung, Mental Load, Zerreissprobe: Mutterschaft ist im patriarchalen, kapitalistischen System eine Zumutung. Behjat findet sich in allen Konflikten wieder, die Mütter heute kennen, kommt aber zu einem empowernden und nicht gebeugten Schluss.

Sie nennt ihre gefühlte Verpflichtung «Moral Load». Sie meint damit, dass «die zukünftigen Männer, die meiner Obhut als Feministin entspringen, nicht nur nicht zu denselben frauenfeindlichen Idioten werden, die wir alle nicht mehr zu ertragen bereit sind. Sondern dass sie tatsächlich zu Akteuren werden, die dem Kampf um Gerechtigkeit voll verschrieben sind.»

«Söhne grossziehen als Feministin» ist ein Buch mit vielen Fragen, die die Autorin nicht alleine beantworten kann. Ein Buch voller Liebe und Zweifel. Die Suche einer Mutter nach einer gemeinsamen Vision einer gleichberechtigten Gesellschaft.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 07.03.2024, 17:10 Uhr

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