Zum Inhalt springen

China-Expertin im Interview Kultur oder Kontrolle? Bern bekommt chinesisches Kulturzentrum

Das neue chinesische Kulturzentrum in Bern soll der Schweizer Bevölkerung die Kultur Chinas nahebringen – mit Konzerten, Ausstellungen und Vorlesungen. Aber ist das alles, was China mit diesem Zentrum verfolgt? SRF hat mit Ariane Knüsel gesprochen, Historikerin in Fribourg und Bern, wo sie die chinesischen Beziehungen zur Schweiz und Europa erforscht.

Ariane Knüsel

Historikerin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Ariane Knüsel ist Privatdozentin für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg und assoziierte Forscherin bei «Diplomatische Dokumente der Schweiz». Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den chinesischen Beziehungen zu westlichen Ländern (speziell zur Schweiz), chinesischen Geheimdienstnetzwerken in Europa, und in westlichen Mediendarstellungen.

SRF: Was hat es mit den Kulturzentren Chinas auf sich?

Ariane Knüsel: Die Kulturzentren sind Teil der chinesischen Volksdiplomatie, welche es seit den 1960er-Jahren in Europa gibt. Mit ihrer Hilfe versucht China, ein positives Image im Ausland zu verbreiten und Kontakte zu Personen in Wirtschaft und Politik herzustellen.

Auch die Schweiz hat Einrichtungen im Ausland, um die hiesige Kultur zu vermitteln. Worin liegt der Unterschied?

Der grosse Unterschied ist, dass China eine Partei-Diktatur ist. Die Schweiz versucht natürlich auch, ein positives Bild von sich im Ausland zu vermitteln. Bei China sind aber oft noch andere Absichten im Spiel: Man versucht, die richtigen Leute an sich zu binden, damit diese dann instrumentalisiert werden können, um das von China erlaubte Bild von China in den Schweizer Medien oder in der Politik weiter zu verbreiten.

Und dieses offizielle China-Bild ist natürlich stark gesäubert und zensiert. Bei den kulturellen Institutionen der Schweiz im Ausland ist das weniger der Fall.

Die Schweiz hatte schon ein Konfuzius-Institut in Genf, das der Uni angegliedert ist. Und ein weiteres in Basel das die Uni 2020 aufgelöst hat, nachdem es auf der Überwachungsliste des Schweizer Nachrichtendienstes gelandet war. Wo liegt denn da der Hase begraben?

Diese Konfuzius-Institute sind an Universitäten angegliedert – und genau das ist der Knackpunkt: China kann dadurch versuchen, Einfluss auf die wissenschaftliche Tätigkeit zu nehmen und das ist ein grosses Problem. Wir haben aktuell das Problem, dass China auf verschiedene Art und Weise versucht, die Forschungsarbeiten von Ausländern und von Chinesen zu beeinflussen. Es ist unglaublich wichtig, dass Studierende und Forschende an Schweizer Instituten über China forschen können, was sie wollen – und nicht, dass sich China einmischt und sagt, welche Themen okay sind und welche nicht.

An diesen Konfuzius-Instituten kann die Forschungsfreiheit also beschnitten werden. Das Kulturzentrum in Bern ist aber kein Konfuzius-Institut.

Genau. Verglichen mit einem Konfuzius-Institut hat ein kulturelles Zentrum viel weniger Einfluss auf wissenschaftliche Tätigkeiten.

Nun wurde in den letzten zwei Jahren bekannt, dass China nicht nur Kulturzentren im Ausland betreibt, sondern auch veritable Polizeistationen – im Geheimen natürlich. Sehen Sie diese Gefahr für das geplante Kulturzentrum in Bern?

Nein. Ich würde da klar unterscheiden zwischen den Kulturzentren, die als Teil der Volksdiplomatie gelten, also Softpower-PR der chinesischen Regierung sind, und den Polizeistationen, mit denen China Dissidenten und Aktivisten ruhigstellen will oder sogar zurück nach China beordern will. Es ist nicht komplett ausgeschlossen, dass in diesem Kulturzentrum nicht auch so eine Polizeistation eröffnet wird, aber in der Regel sind diese Kulturzentren reine Volksdiplomatie.

Das Gespräch führte Ruth Wili.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 22.7.2024, 8:06 Uhr. ; 

Meistgelesene Artikel