Gleich mehrere Verhaftungen hat es dieser Tage in Deutschland gegeben, wegen mutmasslicher Spionage für China, und auch in der Schweiz wurde ein Fall publik: Der ehemalige Chef eines Hotels beim Militärflugplatz Meiringen steht im Verdacht, ein chinesischer Spion gewesen zu sein. Ralph Weber ist Professor für European Global Studies an der Universität Basel und China-Spezialist. Er erklärt, wie die chinesische Führung in unserem Land Informationen beschafft.
SRF News: Wie gross ist das Problem der chinesischen Einflussnahme in der Schweiz?
Ralph Weber: Es ist ein schwieriges Thema, das auch aus akademischer Warte schwer zu erforschen ist. Vieles davon möchte ja nicht publik sein und das macht es schwierig, wirklich einen informierten Überblick über die Sachlage zu erhalten. Man muss davon ausgehen, dass auch in der Schweiz ganz viele solche Aktivitäten stattfinden.
In welchen Bereichen versucht die chinesische Führung in der Schweiz Einfluss zu nehmen?
Da ist zum einen Genf als Standort der Vereinten Nationen. Der war traditionell in der Geschichte schon immer ein Ort von Einflussversuchen und Spionage. Man muss davon ausgehen, dass das bis heute so ist.
Es ist sehr selten, dass in der Schweiz so etwas vor Gericht kommt und so publik gemacht wird.
Aber auch alles, was mit Spitzenforschung an Hochschulen zu tun hat, ist sicherlich von Interesse, und auch Unternehmen und deren Produkte. Auch der Schweizer Finanzplatz dürfte spannend sein.
Wie geht die Schweiz mit solchen Spionen um?
Werden in der Schweiz solche Aktivitäten festgestellt, dann wird meist eine Person ausgewiesen. Man versucht, das Problem auf stillen Wegen zu lösen. Es ist sehr selten, dass in der Schweiz so etwas vor Gericht kommt und so publik gemacht wird. Man sieht das zum Beispiel jüngst an dem Fall in Meiringen. Es gibt Hinweise auf Spionage, aber der Bund sagt nichts dazu.
Chinesische Einflussnahme ist also etwas, das sehr subtil passiert?
Es ist eine ganze Bandbreite von Aktivitäten, die auch nicht zu trennen sind von anderen parteistaatlichen Aktivitäten.
China sucht bewusst auch Kontakte zu anderen politischen Parteien in anderen Ländern, um diese zu beeinflussen.
Da geht es um propagandistische Aktivitäten. Da geht es darum, dass Schweizer Akteure diese Punkte verstärken, vielleicht auf Reisen eingeladen werden. Sagen wir nach Tibet, um danach zurückzukommen und hier zu sagen «Die Schweizer Medien haben das immer falsch dargestellt. Eigentlich macht dort der Staat ganz tolle Entwicklungsprojekte.»
Auch andere Länder sind darum bemüht, Informationen zu sammeln und Staaten zu beeinflussen. Was macht den Fall China speziell?
China ist eine Einparteienherrschaft. Die Kommunistische Partei ist bürokratisch sehr gross organisiert und hat einzelne Departemente, die für nichts anderes da sind als Beeinflussung zu betreiben und die Leute auf Parteilinie zu bringen. China sucht bewusst auch Kontakte zu anderen politischen Parteien in anderen Ländern, um diese zu beeinflussen. Das ist ein Apparat, den kein anderer Akteur so zur Verfügung hat.
Wie können oder sollen wir in der Schweiz mit China und seinen Vertreterinnen und Vertretern umgehen?
Zum einen ist es wichtig, dass wir uns dieser Problematik bewusst sind. Es wäre naiv zu glauben, dass in der Schweiz keine Spionage geschieht. Wir haben eine lange Geschichte von chinesischer Spionage.
Das Zweite ist in der Tat eine schwierige Frage. Ich glaube, mit Vertretern des Parteistaats muss man misstrauisch umgehen. Man muss verstehen, welche Ziele diese Akteure verfolgen. Wenn es aber um chinesischstämmige Menschen in der Schweiz geht, dann ist es wichtig, dass man sie nicht unter Allgemeinverdacht stellt.
Das Gespräch führte Nico Bär.