In Deutschland sind drei Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft wegen des Verdachts auf Spionage für den chinesischen Geheimdienst festgenommen worden. Erst vor wenigen Tagen wurden bereits zwei mutmassliche russische Saboteure verhaftet. Claudia Kade, Politikchefin bei der deutschen Zeitung «Welt», zu den Hintergründen.
SRF News: In Deutschland gab es in den letzten Tagen mehrere Spionagefälle. Was ist los in Deutschland?
Claudia Kade: Deutschland ist in eine neue Rolle gekommen, vor allem, wenn wir über russische Spionage reden. Deutschland ist die zweitgrösste Waffenliefernation an die Ukraine. Das heisst, sie rückt auch stärker in den Fokus russischer Geheimdienste. Wenn wir über chinesische Spionage reden, dann ist Deutschland auch unter einem starken Druck seiner internationalen Partner.
Vor allem die USA erwarten, dass Deutschland eine stärkere Wachsamkeit an den Tag legt.
Vor allem die USA erwarten, dass Deutschland eine stärkere Wachsamkeit an den Tag legt, sensibler agiert und auch eine härtere Gangart vor allem gegen chinesische Spionageversuche einschlägt. Diese Fälle, die wir jetzt erleben, sind eben Teil dieser zweifachen Veränderungen der deutschen Rolle – einerseits im internationalen Kontext und andererseits eben auch der eigenen Wachsamkeit, die erhöht wird.
Der deutsche Geheimdienst hat innerhalb kurzer Zeit gleich zwei Spionagefälle aufgedeckt oder verhindert. Wie bewerten Sie diese Leistung, insbesondere nach den jüngsten Festnahmen?
Leistung ist ein gutes Stichwort. Ich denke, dass die deutschen Geheimdienste, sowohl der Inlands- als auch der Auslandsgeheimdienst, ein bisschen unter Zugzwang stehen. Denn wir haben hier in Deutschland gerade einen Prozess gegen einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, also des Auslandsgeheimdienstes, und gegen einen Komplizen von ihm. Dieser Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes soll direkt aus dem Geheimdienst heraus Unterlagen nach Russland weitergegeben haben.
Da geht es auch ein bisschen darum, dass die deutschen Sicherheitsbehörden und Geheimdienste mal wieder zeigen, dass sie Schlagkraft haben.
Das ist natürlich ein Worst Case und eine Blamage eigentlich für den Nachrichtendienst. Da geht es auch ein bisschen darum, dass die deutschen Sicherheitsbehörden und Geheimdienste mal wieder zeigen, dass sie Schlagkraft haben und dass sie auch Dinge selbst proaktiv aufdecken können. Nachdem eben dieser wirklich sehr krasse Fall von mutmasslicher Spionage jetzt vor Gericht ist.
Würden Sie sagen, dass die aktuellen Verhaftungen allenfalls auch so verstanden werden, dass Deutschland nun doch einen schärferen Kurs gegen China fahren will?
Ich denke schon. Deutschland will ja seine Abhängigkeiten von China im wirtschaftlichen Kontext eindämmen und ist damit übrigens von politischer Seite nicht ganz auf demselben Kurs wie die deutsche Wirtschaft das sieht. Die politische Seite, konkret die Bundesregierung, will die Abhängigkeiten eigentlich stärker verringern als die deutschen Wirtschaftsvertreter das eigentlich umsetzen wollen.
Dass die deutschen Behörden jetzt sozusagen vorangehen und sagen: ‹Wir meinen das wirklich ernst, was die Politik da möchte, wir setzen das um, wir gehen tatsächlich schärfer und wachsamer vor gegen chinesische Spionageversuche›, ist eben auch ein Signal an die Wirtschaftsvertreter zu sagen: ‹Wir nehmen das ernst, bitte tut das ebenfalls und denkt ebenfalls darüber nach, wie man sich tatsächlich vor Abhängigkeiten vom chinesischen Regime schützt›.
Das Gespräch führte Can Külahcigil.