Es ist das erste Mal, dass eine grosse Schweizer Firma im Zusammenhang mit einer Industrie-Software zwischen die Fronten der USA und China gerät. ABB beliefert in China das Staatsunternehmen Shanghai Zhenhua Heavy Industries mit einer Software für Hafenkräne. Diese Software wird in China in die Kräne eingebaut und dann in die USA ausgeliefert.
Nun befürchten die Amerikaner, dass die Software auch für Spionage missbraucht werden könnte und dass die Daten zum Warenverkehr nach China gelangen könnten. Auch das Militär in den USA braucht die Kräne aus China, um Transportschiffe an den Häfen zu beladen und entladen. Die US-Behörden befürchten, dass die Anlagen mit Cyberangriffen sabotiert werden könnten. Die Vorwürfe sind umstritten – Beweise gibt es keine.
Verhältnis zwischen den Grossmächten ist angespannt
Laut der Chinaexpertin und wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Universität Zürich Simona Grano müsse man den Fall von ABB in einen grösseren Kontext stellen. Hintergrund der Vorwürfe sei, dass sich das Verhältnis zwischen den USA und China weiter verschlechtert hab. Es gebe immer mehr Vorwürfe von Spionage.
Die handelspolitischen Spannungen zwischen den USA und China werden es immer schwieriger machen, mit beiden Seiten Geschäfte abzuschliessen.
«Das ist ein typischer Fall, der deutlich zeigt, dass das «business as usual» von der Vergangenheit nicht mehr möglich ist. Denn die handelspolitischen Spannungen zwischen den beiden wirtschaftlichen Grossmächten werden es immer schwieriger machen, mit beiden Seiten Geschäfte abzuschliessen», so Grano. Vor allem für Firmen, die Hightechprodukte herstellen, werde es immer schwieriger. Dass nun ausgerechnet ABB ins Visier der Behörden geraten ist, dürfte kein Zufall sein, denn das Unternehmen liefert sensible Produkte wie Roboter oder Steuerungssysteme.
Mit den Vorwürfen aus den USA werde nun eine Drohkulisse aufgebaut, sagt Simona Grano. Sie hat ein Buch über das Verhältnis zwischen China und den USA geschrieben. «Das Ziel ist, einen ernsthaften Vorwurf zu kreieren, der so schwerwiegend ist, dass das Unternehmen und auch seine Manager verstehen, dass sie sich an die amerikanischen Vorschriften halten müssen – oder gravierende Konsequenzen zu befürchten haben». In diesem Fall trifft es ABB.
Die USA will chinesische Spionage verhindern
Die US-Behörden haben diese Woche angekündigt, dass sie vermehrt Softwarehersteller in die Pflicht nehmen möchten, um eine mögliche Spionage von China zu bekämpfen. Laut FBI versuchen chinesische Hacker systematisch mit Schadenssoftware in die kritische amerikanische Infrastruktur einzudringen – das sind insbesondere technische Anlagen in der Wasser- und Energieversorgung, in der Telekommunikation und im Transportbereich.
Wir nehmen die Untersuchungen sehr ernst.
Im Zusammenhang mit den Vorwürfen hat ABB bereits über 600 Dokumente an die USA geliefert. «Wir nehmen die Untersuchungen sehr ernst», sagt Björn Rosengren, Chef von ABB. Man sei in einem guten Dialog. Geplant ist nun ein weiteres Treffen mit dem entsprechenden Ausschuss in den USA.