Wer sich hier einmietet, kann dem Lebensgefühl der 1970er-Jahre nachspüren. Florian Dombois ist seit einem Jahr Besitzer einer Wohnung im Fellergut-Hochhaus. Die Wohnung wird seit neuestem über die Stiftung Ferien im Baudenkmal vermietet. Das Gebäude selbst wurde 1972 aus Fertigbauteilen erbaut, entworfen von Hans und Gret Reinhard, einem Berner Architektenpaar. Dombois Wohnung war einst für den gehobenen Mittelstand konzipiert. Vieles ist heute noch im Original erhalten: die grünen Fliesen im Bad, die gemusterte Tapete im Flur, die Küchenausstattung.
Florian Dombois steht im 15. Stockwerk vor einer grossen Panoramascheibe und blickt hinaus: «Heute ist es ein bisschen diesig, aber man sieht Eiger, Mönch und Jungfrau da hinten. Und dann den Jura auf der anderen Seite.» Der Künstler legt viel Wert aufs Detail. Angefangen bei der Filterkaffeemaschine über das Kaffee-Porzellan bis hin zur Couch.
Aufbruch und Aufruhr
Orange, grün, lila: Die 1970er-Jahre waren geprägt von Freiheit, Aufbruch und Opulenz. Die Zeit war aber auch geprägt von Krisen, Umbrüchen und Veränderungen. Die Menschheit hatte kurz zuvor den Mond erobert. In der Schweiz durften nun auch Frauen an die Wahlurne und Designer entwickelten Stühle aus Kunststoff, die an Raumkapseln erinnerten.
Die Wohnung auf dem Fellergut erzählt viel über diese Zeit: angefangen bei sozialen Fragen wie dem Wohnen. Weil in den Kriegsjahren kaum gebaut worden war, herrschte in Bern, aber auch andernorts in der Schweiz in den 1950er- und 60er-Jahren Wohnungsnot. Und so entstanden in Bümpliz nach Kriegsende zahlreiche Grossüberbauungen, die heute als Betonwüste kritisiert werden.
Antwort auf die Wohnungsnot
Die Stiftung Ferien im Baudenkmal will die Baukultur der Schweiz abbilden. Die Ferienwohnung im Fellergut-Hochhaus ist das erste Angebot von sogenannter Nachkriegsarchitektur. Und es wirkt zunächst wie ein Stilbruch. Christine Matthey leitet die Stiftung: «Wir wollen Häuser retten, aber wir wollen auch Baukultur erhalten, dass man sie auch so erleben kann und weiter erleben kann, wie sie damals war. Und das gilt für alle Epochen.»
Die Hochhäuser in Bern Bümpliz stehen symbolisch für das Wirtschaftswachstum und den Wohnraummangel der damaligen Zeit. Auch wenn die Plattenbauhäuser einen schlechten Ruf haben, Christine Matthey wünscht sich, dass sich beim Besuch Vorurteile relativieren: «Wir sind wieder mit den gleichen Fragen konfrontiert, die hier bereits beantwortet wurden. Der Wohnraummangel ist hochaktuell. Natürlich wollen wir nun wissen, wie diese Herausforderungen früher gelöst wurden.»
Klar: Bümpliz hat kein Metropolenflair zu bieten und auch die Mittelmeerküste ist weit entfernt. Dafür kann man hier Baugeschichte der Nachkriegszeit erleben und erkunden.