SRF: Das Private Banking in der Schweiz wird von Männern dominiert. Gibt es überhaupt Frauen?
Anna Zakrzewski: Ja, schon. Doch Sie haben Recht, was die Schweiz betrifft: Hier, wie übrigens auch in Europa, sind leider nur zwischen 10 und 20 Prozent der Mitarbeitenden im Private Banking weiblich. Ganz anders aber in Asien: Dort liegt der Anteil Frauen im Private Banking an der Kundenfront bei über 60 Prozent.
Wieso diese grossen Unterschiede?
In der Schweiz gibt es für Frauen immer noch grosse strukturelle Hürden, um die Karriere voranzutreiben. Vor allem dann, wenn sie einmal Mütter sind.
In Asien werden Frauen vom Staat viel besser unterstützt, wenn sie Karriere machen wollen, beispielsweise in China. Aber auch das Wirtschaftswachstum Asiens hilft enorm: Es ist fünfmal höher als in Europa. Asiatische Frauen wollen daran teilhaben.
Sind die Asiatinnen ambitionierter als die westlichen Frauen? Wir also quasi verweichlicht?
So würde ich das nicht sagen. Westliche Frauen sind auch ambitioniert, aber der Wohlstand wächst überproportional in Asien, und das wollen sich Frauen nicht entgehen lassen.
Gleichzeitig müssen sie schlicht arbeiten. In Asien gründen des Weiteren viel mehr Frauen ihre eigenen Firmen und werden so schneller auch vermögend.
In über 40 Prozent aller Haushalte bringen die Frauen das Haupteinkommen heim.
Die wachsenden Vermögen von Frauen sind der Grund, wieso die weibliche Klientel für Banken auch als Kundensegment interessanter wird. Wie viel Vermögen ist heute bereits in Frauenhänden?
Weltweit wird heute ein Drittel aller privaten Vermögen von Frauen kontrolliert. Das sind über 70‘000 Milliarden Dollar. Interessant ist aber vor allem auch, dass die Vermögen der Frauen mit gut acht Prozent jährlich überproportional stark wachsen im Vergleich zu den Gesamtvermögen, die pro Jahr um fünf Prozent zulegen.
Was sind die Treiber dafür, dass die Vermögen der Frauen stärker wachsen als der Rest?
Es gibt fünf Gründe. Erstens die Unabhängigkeit: Frauen stehen heute viel unabhängiger im Leben als noch ihre Mütter oder Grossmütter. Die Scheidungsraten haben sich verdoppelt, die Anzahl Kinder in Haushalten hat sich um ein Drittel reduziert. Zweitens sind heute doppelt so viele Frauen erwerbstätig als noch vor 40 Jahren, sie verdienen also ihr eigenes Geld.
Drittens sind Frauen viel besser ausgebildet. Über die Hälfte der Universitätsabgängerinnen sind aktuell weiblich. Viertens haben sich die Lohndifferenzen verkleinert – auch wenn es sie nach wie vor gibt. Und fünftens leben Frauen im Durchschnitt zwischen acht bis zehn Jahre länger.
Was bedeutet das?
Viele Vermögen landen letztlich bei Frauen. Weil das Geld an sie vererbt wird. Der letzte Faktor ist jener der Kontrolle im Haushalt: Frauen treffen oft die finanziellen Entscheidungen und weltweit ist es gar so, dass in über 40 Prozent aller Haushalte weltweit die Frauen das Haupteinkommen heimbringen. Das kann man nicht genug betonen.
Brauchen Banken mehr Kundenberaterinnen, weil vermögende Frauen vom gleichen Geschlecht betreut werden wollen?
Nein. Frauen suchen nicht per se Frauen als Kundenberater. Sondern Empfehlungen – und: Frauen sind eher langfristig orientiert und suchen vor allem eine Person, der sie vertrauen und die sie ernst nimmt.
Zudem muss das Servicemodell praktisch und effizient sein und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Das Geschlecht der Berater spielt keine Rolle.
Dann ist es aber eigentlich egal, ob das Private Banking männlich dominiert ist.
Nein, ist es nicht. Frauen bringen eine andere Sichtweise in die Beratung mit rein. Die Banken brauchen eine Diversität an Beratern, weil sie alles bieten können müssen, das Kunden nachfragen. Je mehr Diversität, desto besser – und Diversität heisst nicht nur Frauen.
Die meisten Banken überlegen sich erst jetzt, wie sie vermögende Frauen als Kundinnen gewinnen.
Verändert die Tatsache, dass Frauen viel mehr Vermögen besitzen als früher, die Bankenwelt fundamental?
Bis jetzt ist dies nicht geschehen. Viele Banken realisieren heute noch nicht, wie viel Geld Frauen bereits halten, kontrollieren und dass sie auch die entsprechenden Entscheidungen treffen. Die meisten Banken überlegen sich erst jetzt strategisch, wie sie vorgehen müssen, um diese vermögenden Frauen als Kundinnen zu gewinnen.
Um das erfolgreich zu tun, müssen sie umdenken. Und viel mehr von den Kundenbedürfnissen ausgehen. Die sind natürlich auch von Frau zu Frau sehr unterschiedlich. Junge Unternehmerinnen und Witwen haben völlig andere Bedürfnisse.
Wie schneiden Schweizer Banken dabei ab? Sind wir weiter als andere oder hinken wir hinterher?
Es gibt Weltregionen, in denen die Banken weiter sind als die Institute in der Schweiz. Asiatische und angelsächsische Banken haben die wohlhabenden Kundinnen früher entdeckt und sich früher auf sie eingerichtet.
Diese Banken sind halt auch im digitalen Bereich schon einen Schritt weiter, was hilft. Auch da hinkt die Schweiz noch hinterher. Viele Schweizer Banken sind aber auf gutem Wege.
Das Interview führte Charlotte Jacquemart.