Warum machen sich noch immer so wenige Männer zuhause nützlich?
Markus Theunert: Männer sind nach wie vor stark leistungsorientiert. Da ist aber auch die alte Vorstellung: «Ein Kind braucht doch seine Mutter!» Daraus entsteht eine widersprüchliche Erwartung, die Männer händeringend zu erfüllen versuchen. Sie wollen Ernährer sein. Und neu auch engagierte Familienväter.
100 Prozent Beruf. Plus 50 Prozent Kinderbetreuung. Aber der Tag hat immer noch nur 24 Stunden.
Männer bemühen sich redlich, unter den gegebenen Rahmenbedingungen das Beste herauszuholen. Aber es ist einfach schwierig. Man kann nicht als Erwerbsmann und Vater zwei Mal 100 Prozent Performance abliefern. Aber letztlich ist das die Erwartung.
Die Gretchenfrage: Wollen die Männer nicht reduzieren, oder können Sie nicht?
Man kann nicht sagen, dass die Unternehmen keine Teilzeitstellen anbieten. Man muss aber sagen, dass die Unternehmen noch relativ wenig Kreativität gezeigt haben, Teilzeitarbeit und Karriereorientierung zu verbinden. Noch immer ist der Regelfall: Wer sich für eine Teilzeitstelle entscheidet, rollt faktisch auf das Abstellgleis.
Und doch behaupten neun von zehn Männern, sie wollen weniger arbeiten.
Und nur einer von zehn macht es tatsächlich. Betriebskultur ist ein wichtiger Punkt. Vor allem die Angst vor den schrägen Blicken der Arbeitskollegen, ist ein zentraler Faktor, warum Männer sich nicht trauen. Auch die Angst, dass einen der direkte Vorgesetzte nicht unterstützt. Dass man sich aus dem Rennen nimmt, wenn man Teilzeit arbeitet. Aber auch die widersprüchliche Erwartung vieler Frauen, die einen modernen, aufgeschlossenen, verständnisvollen und engagierten Mann wollen, aber eben immer noch oft erwarten, dass er den grösseren Teil der Verantwortung als Familienernährer übernimmt.
Mein Eindruck: Die Arbeitsverteilung zwischen Mann und Frau bleibt nach der Geburt eines Kindes meist so, wie sie vorher schon war.
Darauf läuft es hinaus, ich würde es trotzdem anders formulieren. Die Paare, die es schaffen, die Arbeit egalitär zu verteilen, sind die, die sich auseinandersetzen. Und zwar vor der Geburt, nicht erst danach. Wenn das Kind da ist, schlagen die Gewohnheit und die Strukturen durch. Dann haben wir die 14 Wochen Mutterschaftsversicherung. Die Männer, die das Gefühl haben, sie müssten arbeiten, um die familiäre Sicherheit zu gewährleisten. Positiv gesagt: Die sensible Phase, was die Aufgabenverteilung angeht, ist rund um die Geburt. Wenn es dort gelingt, die Männer mitzunehmen, dann gelingt es auch langfristig.
Deswegen fordern Sie so nachdrücklich den Vaterschaftsurlaub.
Auch wenn es nur 20 Tage sind, es macht einen Unterschied. Die Kompetenzentwicklung ist extrem ungleichzeitig. Wenn die Mütter mal 14 Wochen Kompetenzvorsprung haben, ist der Mann abgemeldet. Dann sagt man: Du verdienst ein bisschen mehr, das ist doch praktisch. Wir haben nahezu identische Einkommensverläufe bis 30. Aber in der Karrierephase zwischen 30 und 40 geben die Männer Vollgas und die Frauen bleiben zuhause. Die Erwerbsschere geht auf zum Zeitpunkt Familiengründung. Und sie schliesst sich nicht mehr.
Echt wahr, dass Männer weniger in der Lage sind, Sorge zu sich zu tragen, wie Sie im Begleittext zur Ausstellung in Bern schreiben?
Sorgsam umgehen mit sich und den eigenen Ressourcen ist nicht nur nicht Bestandteil des Männerbilds, sondern ein Anti-Bestandteil. Es ist unmännlich, die Grenzen nicht zu überschreiten. Oder Risiken nicht einzugehen. Oder sich selber zu pflegen.
Pediküre, aber bitte keinen Schritt weiter!
Auf der Ebene Äusserlichkeit kommt das langsam. Aber das hat noch wenig mit nachhaltigem Leben zu tun. Ganz banal: genügend Schlafen, sich onlinefreie Zeiten gönnen, Freundschaften pflegen. Etwas mit sich anzufangen wissen, auch ohne dass etwas «leisten» muss. Damit haben nach wie vor viele Männer Mühe. Die ganze «Men's Health»-Forschung belegt längst, dass Männer nicht weniger robust oder krankheitsanfälliger sind als die Frauen. Sie machen sich einfach schneller kaputt.