Gesellschaft & Religion - Mit der Zeitmaschine durch Literatur und Film
Der Traum ist wohl so alt wie die Menschheit: in andere Zeiten reisen. Aber was im echten Leben nicht möglich ist, kann die Phantasie! So sind Zeitreisen ein beliebtes Motiv in Literatur und Film. Ob mit Auto oder per Spezial-Gen: Es wird in die Vergangenheit oder Zukunft gereist, was das Zeug hält.
Wie wäre ein Besuch in den Kindertagen seiner Urgrosseltern? Wie wäre ein gemeinsamer Spaziergang mit Neil Armstrong auf dem Mond? Oder wie sieht die Menschheit in zehntausend Jahren aus? Wir würden es wissen, wenn wir in der Zeit reisen können. Aber noch ist die Menschheit nicht soweit – und ob sie es je sein wird ist fraglich.
Programmhinweis
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SRF 2 Kultur widmet sich am 2. April den ganzen Tag nur einem Thema: der Zeit. Was ist Zeit? Diese Frage stellen wir Fachleuten aus Physik, Soziologie, Psychologie und Philosophie. Ihre Antworten hören Sie am Dienstag ab 9 Uhr im HörPunkt «Die Zeit. Das Mass aller Dinge» auf SRF 2 Kultur.
Noch gibt es keine Beweise, dass Zeitreisen möglich sind. Zu viele theoretische, physikalische und philosophische Fragen sind ungelöst. Dennoch beschäftigen Zeitreisen Literatur und Film. Sie sind ein beliebtes Phänomen im Science-Fiction- und Fantasy-Genre: Zeit ist linear, sie bewegt sich, von der Vergangenheit in die Zukunft. Bewegt sich die Zeit, bewegen wir uns mit. Das gilt für alle – ausser für Zeitreisende: Sie bewegen sich frei in der Zeit, egal in welche Richtung.
Fluxkompensator oder Gen-Defekt
Der erste, der Zeitreisen literarisch als Motiv aufgenommen hat, ist der Engländer H. G. Wells, der mit seinem Roman «The Time Machine» als Begründer der Science-Fiction-Literatur gilt. In seinem 1895 erschienenen Werk lässt er eine namenlose Hauptfigur in die Zukunft reisen.
H. G. Wells' Zeitreisender benutzt für seine Zeitsprünge eine Maschine. Auch der Teenager Marty aus dem Zeitreise-Filmklassiker der 1980er Jahre, «Back to the Future», hat eine Zeitmaschine. Gebaut hat sie ein befreundeter Wissenschaftler aus einem Sportwagen und einem «Fluxkompensator», einem Gerät, das Zeit verdichtet.
Henry, die Hauptfigur aus dem Roman «The Time Travellers Wife» («Die Frau des Zeitreisenden»), braucht keine Zeitmaschine. Die US-amerikanische Autorin Audrey Nyffenegger hat ihn in ihrem 2003 erschienenen Roman, der 2009 verfilmt wurde, mit einem Gen-Defekt ausgestattet. Dieser schleudert ihn durch andere Zeiten.
Auch Gwendolyn aus Kerstin Giers Edelstein-Trilogie «Rubinrot», «Saphirblau», «Smaragdgrün» von 2009 muss durch die Zeit reisen wegen eines speziellen Gens. Was romantisch klingen mag, ist jedoch brandgefährlich. Während der Zeitreisende Henry unkontrollierbar irgendwo auf der Welt landet, schleudert es Gwendolyn immer zum Ausgangspunkt ihrer Zeitreise. Dumm nur, wenn man dabei auf einer Brücke steht, die es ein Jahrhundert zuvor noch nicht gab.
Doch Gwendolyn hat Glück: Sie kommt unter die Fittiche einer Geheimloge, welche ihre Zeitreisen mit einem Gerät, dem Chronographen, kontrollieren kann. Als Preis dafür muss sie in anderen Zeiten Aufträge ausführen.
«Grossvater-Paradoxon» oder die Probleme der Kausalität
Reisen in die Zukunft sind inhaltlich kaum problematisch. Schwieriger wird es bei Reisen in die Vergangenheit wegen der Kausalität. Das zeigt das «Grossvater-Paradoxon»: Wenn einer in die Vergangenheit zurückreist und seinen Grossvater tötet, bevor dieser den eigenen Vater gezeugt hat, wird der Zeitreisende in der Folge gar nicht geboren, kann also keine Zeitreise unternehmen, und somit seinen Grossvater nicht töten.
Marty aus dem Film «Back to the Future» kennt dieses Problem. Er reist zurück in die Jugendjahre seiner Eltern und dummerweise verliebt sich seine Mutter in ihn statt in seinen Vater. Der spätere Sohn Marty muss also dringend die frühere Ordnung wieder herstellen, damit er geboren werden kann.
Täglich grüsst das Murmeltier…
Es gibt verschiedene Denkmodelle, wie mit dem Grossvater-Paradoxon umgegangen werden kann. Der Zeitreisende in die Vergangenheit könnte nur Beobachter sein ohne Möglichkeit, in den Verlauf einzugreifen. Wie Henry aus «Die Frau des Zeitreisenden», der den tödlichen Unfall seiner Mutter nicht verhindern, sondern nur mit ansehen kann.
Tauglich bei Zeitreisen ist auch das Viele-Welten-Modell: Dabei nimmt man an, dass parallel zur uns bekannten Welt noch andere Welten existieren. Die Zeitreise findet in ein Parallel-Universum statt, die Vergangenheit des Zeitreisenden wird nicht verändert, nur variiert. Dieses Modell nutzt die amerikanische TV-Serie «Sliders» von 1995: Die Figuren gelangen durch ein Wurmloch in die Parallelwelten.
Phil Connors aus dem Film «Groundhog Day» («Und täglich grüsst das Murmeltier») von 1993 hat ein anderes Problem: Der Fernseh-Wetteransager erwacht jeden Morgen erneut am «Tag des Murmeltiers» in der US-Kleinstadt Punxsutawney: Er steckt in einer Zeitschlaufe fest.
Das Leben in Varianten – das fasziniert an Zeitreisen. Sie ermöglichen uns die spielerische Annäherung an eine der Grundfragen unserer Existenz: Was wäre wenn...? Zeitreisen dehnen unsere Lebenszeit aus und reichern sie an. Als Gedankenspiel. Vorerst. Deswegen ist dieser Traum der Menschheit längst noch nicht ausgeträumt.
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