Papst kann nur einer werden. Aber keiner, der so denkt wie die meisten Katholikinnen und Katholiken in den Schweizer Kirchgemeinden. Keiner, der für Frauenordination ist oder gegen den Pflichtzölibat. Keiner, von dem wir sagen würden, er denkt kirchenpolitisch fortschrittlich. So einer wird dem Konklave in Rom gar nicht angehören. Sämtliche Kardinäle, die den Papst wählen werden, wurden von Johannes Paul II. oder von Benedikt VXI. ernannt. Gab es bei der letzten Papstwahl 2005 noch eine Unterscheidung zwischen einer «progressiven» Minderheit und einer «konservativen» Mehrheit unter den Kardinälen, so ist das Wahlgremium 2013 durchgehend konservativ besetzt.
Der Vatikan als Mittelpunkt der Weltkirche
Fällt diese Unterscheidung weg, so ist wird die regionale Frage umso interessanter. Woher soll der neue Papst kommen? Natürlich endlich wieder aus Italien, sagen die 28 italienischen Kardinäle, die ein Viertel aller Wahlmänner stellen. Sie wollen – wie es über Jahrhunderte Usus war – Rom, den Vatikan, wieder verstärkt zum Mittelpunkt der Weltkirche machen. Und das, während vor allem der Papst aus Polen die Welt zum Mittelpunkt der Arbeit des Vatikans machte. Sollten die italienischen Kardinäle sich auf einen der Ihren einigen, so hätte etwa der einstige Patriarch von Venedig und heutige Erzbischof von Mailand, Angelo Scola, gute Chancen. Mit 71 hätte er das «richtige» Alter für das Papstamt. Da Europa neben den Italienern noch 34 weitere Wahlmänner stellt, könnte dieses Amt von den Mehrheitsverhältnissen her tatsächlich zumindest dem alten Kontinent vorbehalten bleiben.
Tür auf für einen Papst aus Afrika oder Asien?
Da will der Schweizer Kardinal Kurt Koch nicht mitmachen. Er würde einen Papst aus Afrika oder Asien begrüssen. In der Tat wächst in Afrika die katholische Kirche stark an, sie muss sich auf ihrem Kontinent aber zunehmend mit neuprotestantischen «Sekten», so genannten charismatischen Geistheilern oder Pfingstlern auseinandersetzen. Und die Christen Afrikas haben es zunehmend zu tun mit militanten Muslimen.
In Afrika hat der Vatikan in den letzten Jahren ziemlich versagt. Während zwischen 20 und 30 Prozent der afrikanischen Christen an AIDS sterben, predigte der Papst gegen die Kondome. Auch der existenzielle, tägliche Kampf ums schiere Überleben in vielen Teilen des Kontinents stand viel zu wenig auf der römischen Agenda. Dem abhelfen könnte der afrikanische Kandidat aus Ghana, Peter Turkson. Der 64jährige ist Leiter des päpstlichen Rates für Frieden und Gerechtigkeit – mithin also in Rom und in Afrika zuhause. Indessen wirkt seine gnadenlose Unbarmherzigkeit beim Thema Homosexualität für europäische Christen eher schockierend.
Nur 19 Wahlmänner aus Lateinamerika
Zunehmend mit Konkurrenz zu tun hat es die Katholische Kirche auch in Südamerika, wo vor allem die evangelikalen Bewegungen an Boden gewinnen. Gleichwohl stellt der Kontinent mit den Erzbischöfen Maradiaga aus Honduras, Scherer aus Brasilien oder Bergoglio aus Argentinien Kandidaten, die durchaus als papabile gelten. Sie haben aber das Pech, dass nur 19 Wahlmänner aus Lateinamerika kommen.
Nordamerika als Verbindung zwischen Europa und Amerika
Dossier zum Papst-Rücktritt
Eine interessante Verbindung zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Kontinent könnten zwei Kandidaten aus dem Norden Amerikas herstellen. Der Kanadier Marc Quellet etwa kennt die Kurie genauso gut wie sein einstiges Bistum Quebec. Der welt- und redegewandte Erzbischof von New York, Timothy Dolan, ist mit 63 Jahren ein junger Kandidat, der für eine Region steht, in der der Katholizismus durch die hispanische Migration wächst. Der US-amerikanische Katholizismus ist traditionell stark an der Seite der Schwachen, aber rigoros in allen Fragen der Sexualmoral. Zudem ist die nordamerikanische Kirche durch die Folgen des Missbrauchsskandals schwer angeschlagen.
In Asien gegen Hunger und Armut
Und Asien? Der Kontinent, den Papst Benedikt XVI. nie besucht hat? Der asiatische Kandidat, Erzbischof Tagle aus Manila, gilt durchaus als Kandidat, denn auf den Philippinen leben nach Brasilien und Mexiko die meisten Katholiken der Welt. Asiens Katholiken fordern allerdings weniger einen eigenen Kandidaten, als einen verstärkten Einsatz der Weltkirche gegen Hunger und Armut auf der Welt, eine Kirche deren Thema Nummer eins die Gerechtigkeit ist.
Sollten sich die asiatischen Wahlmänner hier mit den afrikanischen und den südamerikanischen Kardinälen zusammen tun, so könnte es tatsächlich erstmals einen Papst aus der Dritten Welt geben. Sollte eine solche Koalition nicht gelingen, so spricht vieles für einen Italiener als Papst Nummer 266. Sicher ist nur eins: Bislang beherrschen Gerüchte die Diskussion um die Papst-Nachfolge.