Überlebensgross mit Schwert und Bibel in den Händen: So steht Zwingli neben der Wasserkirche im Zentrum Zürichs.
Doch das Zwingli-Denkmal an der Limmat ist wenig beliebt, weil es so martialisch wirkt. Und auch deshalb, weil genau an dieser Stelle im Fluss Täufer ertränkt wurden.
Radikaler als Zwingli
Die Täufer waren der «linke Flügel der Reformation». Sie wollten Christ-Sein radikaler und noch biblischer umsetzen als Zwingli. So lehnten sie die Kindertaufe als unbiblisch ab.
Dem stimmte der Bibel-Übersetzer Zwingli zwar inhaltlich zu – nicht aber in der Konsequenz.
Schliesslich hatte der Staat auch Interesse an einem Taufregister. Das diente ihm als Bevölkerungsregister. Die Täufer wollten sich aber nur Gott allein unterordnen, nicht einer weltlichen Obrigkeit.
Da konnte Zwingli nicht mit. Er billigte schliesslich sogar die Verfolgung und Ermordung einiger Täufer durch den Rat der Stadt Zürich.
Zwingli war aber nicht nur Realpolitiker. Als Seelsorger sah er auch, wie schwer sich die Menschen mit Änderungen taten. Er wollte sie gleichsam Schritt für Schritt an die Neuerungen in Kirche und Stadt gewöhnen.
Zwingli übersetzte die Bibel im Team – und zwar im Chor des Zürcher Grossmünsters. Damit leistete er kirchlich-theologische Pionierarbeit. Diese legte den Boden für eine komplett neue Gesellschaftsordnung.
Reformation, überall
Ab 1519 ging der Zürcher Rat schrittweise daran, die Stadt – und eben nicht allein die Kirche – zu reformieren. Als Startdatum dafür erinnert Zürich den 1. Januar 1519, als Zwingli Leutpriester am Zürcher Grossmünster wurde.
Sein theologisches Wirken mündete direkt in sozialpolitischen Reformen, etwa in städtischer Armenfürsorge und Volksbildung.
Die Mächtigen entmachten
Kirchen- und Staatspolitik liessen sich zu Anfang des 16. Jahrhunderts kaum trennen: Weltliche Herrscher galten als von Gott bestimmt.
Bischöfe, Äbte und Äbtissinnen übten enorme weltliche Macht aus. Sie herrschten über Ländereien, Gewerbe und Menschen. Bischöfen und Klöstern ging es nun mit der Reformation an den Kragen.
Das war ganz im Sinne Zwinglis. Denn auch er wollte eine von Rom und den Habsburgern unabhängige Kirche und Gesellschaft.
Von Zwingli vertrieben
Ordensfrauen verloren mit den Klöstern ihre materielle Lebensgrundlage. Ehe und Familie wurden zwar extrem aufgewertet, aber auch zur einzigen Lebensoption.
Und alle diejenigen verloren, die das nicht mitmachen wollten, seien das Romtreue oder auch der linke Flügel der Reformation. Denn die Täufer lehnten den Kriegsdienst ab und wurden auch deshalb von Staates wegen bald verfolgt.
Ein Leben für die Freiheit
Alsbald galt es nämlich, die neue Freiheit gegenüber Habsburgern und katholischen Orten zu verteidigen. Da legte Zwingli sogar selbst die Rüstung an. Teile davon sind heute im Zürcher Landesmuseum ausgestellt.
1531 liess Zwingli in Kappel sein Leben für die neue Freiheit. Damals stritt er für den reformierten Kanton Zürich gegen die Innerschweizer Orte, die römisch-katholisch bleiben wollten. Er unterlag.
Unbekannte Facetten
Weniger präsent im öffentlichen Gedächtnis ist der Feingeist Zwingli: der Intellektuelle, der aktive Hobby-Musiker und Komponist, der Sprachwissenschaftler und Übersetzer.
Ihn auch so zu zeigen, ist eine der Stärken des neuen Zwingli-Films, der ab heute in den Schweizer Kinos läuft.
Moderner als Luther
Über die frühaufklärerische Seite des Reformators sollte nämlich mehr erzählt werden: Zwingli hatte in Wien studiert, einer ganz anderen Schule als etwa der Augustiner-Mönch Martin Luther.
In Wien hatten Naturwissenschaft und Medizin grosse Fortschritte gemacht. Darum war Zwingli rationaler und «moderner» als sein Wittenberger Kollege Luther.
Ihre Gottesdienste sind schlank und wortorientiert. Es herrscht «Bekenntnisfreiheit». Das heisst: Niemandem wird vorgeschrieben, was er oder sie zu glauben hat. Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
Und auch mit Homosexualität lernt man selbstverständlicher umzugehen als andere Kirchen.