Wer das Buch «Goldwäsche» des Basler Strafrechtlers und Korruptionsexperten Mark Pieth liest, für den glänzt Gold deutlich weniger.
Es beginnt in der peruanischen Minenstadt La Rinconada: 60’000 Bewohner, davon rund 4’000 Zwangsprostituierte. Gewalt ist an der Tagesordnung.
Wasser und Luft sind stark mit Quecksilber belastet, weil das Gold damit vom restlichen Gestein getrennt wird. Die Mineure arbeiten 28 Tage ohne Lohn. Danach dürfen sie zwei Tage auf eigene Rechnung schuften.
Verspottete Menschenrechte
Die Zustände in La Rinconada sind schrecklich, aber nicht einzigartig. In Ghana schinden sich Kinder in engen Schächten ab. Auf den Philippinen tauchen Kinder in trüben Wasserläufen nach Gold.
Im Ostkongo kämpfen Milizen um die Kontrolle über Minen. Mit dem Erlös kaufen sie Waffen. Dabei massakrieren sie die Bevölkerung. Kriminelle waschen Drogengeld, indem sie es in Gold wechseln.
Potentaten plündern ihre Länder aus. Unternehmen stehlen sich aus der ethischen und ökologischen Verantwortung. Mark Pieth berichtet von Zuständen, die der Menschenrechte spotten.
Goldland Schweiz
Die Schweiz hätte eine besondere Verantwortung, weil sie – so Pieth – «im Goldhandel und im Raffineriewesen eine Weltmacht» ist. Vier der grössten Raffinerien stehen hier.
Der Wert des importierten Goldes beträgt bis 100 Milliarden Franken pro Jahr – bis 70 Prozent der Weltproduktion. Doch die Schweizer Regelungen seien wie Käse, schreibt der Strafrechtler: «weich und voller Löcher».
Es fehlt an Transparenz, wo und unter welchen Bedingungen das Gold abgebaut wird. Unklar ist auch, ob ein Unternehmen für das Verhalten von Tochterfirmen im Ausland haftbar gemacht werden kann.
Mark Pieth stellt fest: Die Staatengemeinschaft packt schwere Wirtschaftsdelikte viel härter an als schwere Menschenrechtsverletzungen.
Unverbindliche Regelungen
Zwar existieren Regelungen für Goldabbau und -handel. Pieth beleuchtet sie ausführlich. Doch die Regeln von Industrieverbänden beruhen weitgehend auf Selbstdeklaration, die Unternehmen werden wenig überprüft.
Die EU hat ihre «Sorgfaltspflichtverordnung für Konfliktmineralien» bisher nicht in verbindliches Recht überführt – und die Trump-Regierung einem Transparenzgesetz über Rohstoffe aus Konfliktgebieten die Zähne gezogen.
Text ohne Durchsetzungskraft
Das wichtigste internationale Dokument ist die «Handlungsempfehlung der OECD für eine verantwortungsvolle Lieferkette von Mineralien aus Konflikt- und Hochrisikogebieten» von 2011.
Sie beinhaltet etwa Sorgfaltsregeln für die gesamte Lieferkette – von der Mine über Zwischenhändler und Exporteure bis zu den Raffinerien und weiter zu den Banken und den Uhrenfabriken und Juwelieren, die das Gold verarbeiten und verkaufen. Doch auch dieser Text ist «soft law» ohne Durchsetzungskraft.
Der Ring am Finger
Mark Pieth hält fest: «Das Bewusstsein der Konsumenten könnte im Übrigen helfen. Wer möchte schon einen Ehering aus Gold, das von Kindern geschürft worden ist? Und wie ist es mit dem Handy, für dessen Gold-Komponenten der Amazonas-Regenwald abgeholzt wurde?» Doch das Angebot an «sauberem» Gold ist beschränkt.
Mit «Goldwäsche» hat Mark Pieth ein wichtiges Buch geschrieben, anschaulich und verständlich formuliert, gut recherchiert und dokumentiert. Mit der Lektüre dieses Werks verliert Gold viel von seinem Glanz. Sehr viel.