Vor 60 Jahren wurde US-Präsident John F. Kennedy erschossen. Der plötzliche Tod des jungen Präsidenten und Hoffnungsträgers erschütterte eine ganze Generation. Bis heute ist Kennedy einer der beliebtesten US-Präsidenten.
Kulturwissenschaftlerin und Autorin Elisabeth Bronfen erklärt, was JFK zum Mythos machte – und was das damals neue Massenmedium Fernsehen sowie der Glanz grosser Hollywood-Stars damit zu tun haben.
SRF: John F. Kennedy galt als Hoffnungsträger, als er 1960 zum US-Präsidenten gewählt wurde. Was machte ihn vom Beginn weg zur Ikone?
Elisabeth Bronfen: John F. Kennedy hat gegen Konkurrent Nixon nur sehr knapp gewonnen. Das gelang ihm vor allem, weil er telegen war. Er trug den richtigen Anzug, sprach direkt in die Kamera. Im Gegensatz zu Nixon wusste er das Medium Fernsehen zu bedienen.
Kennedy verkörperte die Hoffnung einer ganzen Generation.
John F. Kennedy versprach den Amerikanern eine «New Frontier», die Erschliessung neuer Territorien. Das tat er etwa durch sein Raumfahrtprogramm. Aber auch in Sachen Frauen-, Arbeiter- oder Bürgerrechte erschloss Kennedy Neuland.
Wieviel trug Kennedys Nähe zum Showbusiness zu seiner Popularität bei?
Kennedy verkehrte oft mit wichtigen Leuten aus dem Showbusiness, wie Frank Sinatra, Marilyn Monroe oder Judy Garland. Dadurch wurde er in der Öffentlichkeit selbst wie ein Star wahrgenommen. Kennedy wollte bewusst zum Showbusiness gehören, und er ist der erste Präsident, dem das gelungen ist.
Kennedy hatte unzählige Affären, das berühmteste Zeugnis davon ist Marilyn Monroes Auftritt im Madison Square Garden: Zu seinem 45. Geburtstag haucht sie dem Präsidenten ein «Happy Birthday» zu, das an erotischer Spannung kaum zu überbieten ist.
Welche Rolle spielte seine Frau Jackie Kennedy?
Die kluge und stilsichere Jackie Kennedy war massgeblich am ikonischen Image des Präsidenten beteiligt. Sie verstand es, aus dem Weissen Haus eine Art demokratischen Hof zu machen.
Sie inszenierte das Weisse Haus wie die strahlende Welt des Schlosses Camelot aus dem gleichnamigen Musical, das auf den mythischen King Arthur zurückgeht. Die spielerische Theatralisierung der Politik verlieh den Kennedys Glamour, Magie und Eleganz.
Die mysteriöse Ermordung des jungen US-Präsidenten geriet zum kollektiven Trauma. Mit Kennedy starb mitten im Kalten Krieg gewissermassen der American Dream. Was macht den Mythos JFK bis heute so attraktiv?
Wenn eine ikonische Figur frühzeitig stirbt, stellt sich immer die Frage, was gewesen wäre, wenn sie weitergelebt hätte. So ist es auch bei John F. Kennedy. Er verkörperte die Hoffnung einer ganzen Generation. Seine Ermordung liess für viele Menschen die Hoffnung auf eine bessere Welt platzen.
Hätte Kennedy länger gelebt, wären auch die negativen Seiten seiner Innen- und Aussenpolitik sowie seines Privatlebens in den Vordergrund getreten. Der Heldentod bewahrte Kennedy vor dieser Entzauberung.
Geblieben ist der Mythos JFK, der bis heute grosse Geschichtenerzähler wie Filmemacher Oliver Stone, Schriftsteller Stephen King oder Musiker Bob Dylan inspiriert.
Das Gespräch führte Alexis Amitirigala.