Ein Meilenstein – so bezeichnen die Gastgeber der Fussball-Europameisterschaft ihr Nachhaltigkeitskonzept. So können die Stadionbesucher etwa an Spieltagen den Nahverkehr kostenlos nutzen und der Strom in den Spielstätten soll aus erneuerbaren Energien stammen.
«Wir möchten einen Standard setzen, den künftige Gastgeber von Sportgrossereignissen nicht mehr unterschreiten können», sagt Michael Jopp, Leiter für Nachhaltigkeitsmanagement der Host City Berlin.
Auch bei der EM wird der Grossteil klimaschädlicher Emissionen durch Mobilität verursacht, durch die Reisen der Zuschauer. Im Umfeld des Berliner Olympiastadions werden nun hunderte Abstellmöglichkeiten für Fahrräder geschaffen. Zudem können Gäste Leihräder zum Teil kostenlos nutzen.
Keine neuen Stadionbauten
Auch Umweltwissenschaftler wie Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe halten die Voraussetzungen für ein klimaschonendes Sportgrossereignis in Deutschland für gegeben, gerade im Vergleich zu früheren Sportevents in Russland, China oder Katar.
In Deutschland mussten für die EM keine neuen Stadien gebaut werden, der Nahverkehr ist gut ausgebaut. Aber Fischer möchte den Massstab höher anlegen: «Wir haben den Eindruck, dass die EURO 24 GmbH und der DFB nicht wirklich an einem Austausch mit kritischen Umweltschutzgruppen interessiert waren.»
Wie so oft kollidieren auch bei der EM gemeinnützige und kommerzielle Interessen. Die 51 Turnierspiele finden in zehn deutschen Städten statt. Einige dieser Kommunen statten ihre Mitarbeitenden bereits mit nachhaltig produzierter Kleidung aus.
Doch jetzt, bei der Einkleidung der EM-Hilfskräfte, der Volunteers, sind sie vertraglich an einen Grosssponsor der Uefa gebunden. «Wir hören aus einigen Städten, dass kritische Umweltbündnisse eher an den Rand gedrängt werden», sagt Lara Schröder von der Aufklärungsinitiative Cum Ratione.
Plädoyer für einschneidende Massnahmen
Die Uefa verzeichnet Jahresumsätze von mehr als vier Milliarden Euro. Ihre Sponsoren sind global agierende Konzerne, darunter ein Elektrohersteller aus China oder ein Getränkeproduzent aus den USA. Auf Nachfrage betont die Uefa, dass die Profite auch langfristig dem deutschen Amateurfussball zugutekommen sollen.
Der Verband hat einen Klimafonds in Höhe von sieben Millionen Euro aufgelegt. Mehr als 160 Vereine erhalten nun eine Förderung: für Wärmepumpen, LED-Flutlichtleuchten, Solarpanels oder Elektro-Minibusse.
Aber reicht das? «Die Dramatik der Klimakrise ist beim Spitzensport noch nicht angekommen», sagt der britische Autor David Goldblatt, der das Thema analysiert hat. Nach seinen Recherchen werden Erderwärmung und extreme Wetterereignisse zunehmend zur Absage von Sportereignissen und zur Gefährdung von Athleten führen.
Bis zum Jahr 2050 sollen ein Viertel der 92 Profifussballstadien in England von Überschwemmungen bedroht sein. Goldblatt plädiert für einschneidende Massnahmen: für kleinere Wettbewerbe, um Reisen der Fans zu verringern. Oder für rückbaubare Stadien.
Die Uefa feiert die Europameisterschaft trotzdem als Meilenstein. Zugleich vermarktet sie ihre Reform der Champions League: Ab der kommenden Saison wird der Klubwettbewerb um 64 Spiele erweitert. Das bedeutet: mehr Einnahmen für die Uefa, aber auch mehr klimaschädliche Emissionen.