Zum Inhalt springen
Audio
Archiv: Die seltsame Sprache des Fussballs
Aus Dini Mundart - Schnabelweid vom 24.06.2021. Bild: Colourbox
abspielen. Laufzeit 57 Minuten.

Kritischer Einwurf Fussballsprache: Hat da jemand «Spielführer» gesagt?

«Tor» statt «Goal», «Ecke» statt «Corner»? Unsere Fussballsprache wird immer hochdeutscher. Man hört’s auch beim Fernsehen.

«Dani Olmo kannst du nach dieser Leistung in der nächsten Partie nicht auf die Bank setzen», sagte Manuel Köng in den Schlussminuten des Georgien-Spiels. King Köng hatte in der Causa Olmo einen Punkt. Aber ich fühlte mich nicht so recht angesprochen. Ich bin nicht Spaniens Nationaltrainer. Sondern ein Schweizer Sprachpolizist, hoch zu Steckenpferd.

Duzen im Dutzend

Dass man sich als erwachsener Mensch, der altersmässig im zentralen Mittelfeld spielt, von den durch die Bank formidablen Fussball-Fachleuten des Schweizer Fernsehens während Spielen duzen lassen muss, ist als Phänomen weder nagelneu noch besonders besorgniserregend.

Aber es scheint, das Geduze habe zugenommen. Aus gewiss gut gemeinten Gründen: Inklusion. Nahbarkeit. Ziemlich genau so «distanzlos» klingt es doch auch in fröhliche Runde nach dem Fussballtraining, wenn man sich im Pub das vorletzte Pint «ordert». File under: «Den musstest du machen, Alter.»

Video
So viel Fussball steckt in unserer Alltagssprache
Aus Dini Mundart vom 11.06.2021.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 40 Sekunden.

Das war die, zugegeben, steile Steilvorlage zum Englischen, in der Schweiz bis vor nicht langer Zeit ein Merkmal der Fachsprache Fussball. Es war immer cool, dass man hierzulande «Penalty» sagte. Oder «Corner». Ein höflicher Hofknicks Richtung Mutterland des Fussballs, auf das die Schweiz nach dem ärgerlichen «Elferaus» auch schon besser zu sprechen war. Hashtag: Düsseldoof.

Die Welt wird eine Kugel

Allerdings scheint da in der fremdsprachen-freundlichen Schweiz etwas zu kippen. Aus den «Penaltys» sind «Strafstösse» geworden. Der «Corner» kommt immer öfter aus der Ecke «Ecke» Schrägstrich «Eckball». Aus dem «Offside» wird ein «Abseits» – mit Betonung auf der zweiten Silbe. Statt «Goals» geschossen werden «Tore» erzielt.

Fakt scheint: Der Fussball wird hierzulande zuhörends hochdeutscher. Das hat seine Logik: Wo man vermehrt «arbeite» sagt statt «schaffe», wird aus dem «Captain» eben ein «Kapitän», ohne dass da etwas aus dem Ruder liefe. Sprache ist, auch Xhaka wird's wissen, nicht in Granit gemeisselt. Erst «Spielführer» wäre vermutlich ein No-Go.

«Keine Kriegs-Metaphern» – Manuel Köng im Gespräch

Box aufklappen Box zuklappen

SRF: Bis etwa vorgestern gab’s in der Schweiz ein «Goal» oder einen «Corner». Heute sind «Tore» und «Ecken» gang und gäbe. Täuscht der Eindruck oder wird das Schweizer Fussballdeutsch immer deutscher? Wie erlebt das TV-Kommentator – auch an sich selbst?

Manuel Köng: Ich übernehme Begriffe, die mir helfen Dinge genauer zu beschreiben. Ein Beispiel: Ich möchte explizit eine weibliche Form von «Captain» verwenden im Frauenfussball, also spreche ich dort von der Kapitänin. Und von der Torhüterin statt vom Goalie.

Wenn immer möglich, versuche ich aber die sprachlichen Eigenheiten der Schweiz zu pflegen. Der Final statt das Finale. Das Kader statt der Kader.

«Den kriegt er nicht verteidigt!» Diese «Verdeutschung» lässt sich nicht nur auf Wort-, sondern auch auf Satzebene feststellen. Ist das Thema in der Analyse nach einem Spiel?

Wir bekommen intern immer wieder Feedbacks, in denen wir auch auf solche Formulierungen sensibilisiert werden. Für mich ist es immer auch eine Frage der Authentizität.

Wir haben deutsche Kolleginnen und Kollegen im Team. Natürlich verwenden sie andere Formulierungen – und das ist auch gut so.

Gibt's ein Wort, das für dich ein absolutes No-Go ist?

Gerade in diesen Zeiten ist es mir wichtig, Kriegs-Metaphern zu vermeiden. Es gibt im Fussball keinen Stellungskrieg und keine Belagerung. Auch sonst mag ich allzu martialische Begriffe nicht verwenden. Es ist trotz aller medialer Beachtung nur ein Spiel.

Das Gespräch führte Stefan Gubser.

Wenn der Eindruck nicht täuscht, wird an der EURO 2024 einen Tick deutsch-deutscher, was vorher schon deutsch war. Der «Ball», dieses runde Kunstleder, wird bei Köng und Co. auch mal zur «Kugel». Oder zum «Spielgerät».

Die strammste aller deutschen Wortwendungen in der schönen neuen Schweizer Fussballsprachwelt ist vielleicht diese da: «Den kriegt er nicht verteidigt.» Man vergisst, wenn es Richtung «Finale», pardon, «Endspiel» geht: Beim Fussball geht’s um alles. Aber, ernster Clause-Witz, er ist nicht die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln.

Auftritt «Whistleblower»

Immerhin hat das Überzeitwort «Kreieren», das der Niederländer Louis van Gaal in seiner Trainerzeit bei Bayern München in den bundesdeutschen Sprachraum eingeschleppt hatte, seine besten Tage hinter sich. Noch eine Weile aushalten müssen wir es mit dem «Matchplan», «Schnittstellenpass» und dem immer noch very en voguen «Umschaltmoment».

Bleibt die Ausnahme, welche die Regel der «Germanifizierung» der Fussballsprache bestätigt. Wann ist aus dem «Strafraum» eine «Box» geworden? Oh, der «Schiri» pfeift ab ... Ich werde ihn bis auf Weiteres «Whistleblower» nennen. Spät ausgleichende Selbstgerechtigkeit.

Die Kultur-Highlights der Woche im Newsletter

Box aufklappen Box zuklappen

Entdecken Sie Inspirationen, Geschichten und Trouvaillen aus der Welt der Kultur: jeden Sonntag, direkt in Ihr Postfach. Newsletter jetzt abonnieren.

SRF 4 News, 5.7.2024, 6:10 Uhr.

Meistgelesene Artikel